Wellness-Beiträge



"Chi-Maschine": Wellness oder Well-Nepp?

von Lutz Hertel, Deutscher Wellness Verband e.V.
Asia-Wellness gehört zu den erfolgreichen Longsellern der Wohlfühlbranche. Nicht zu Unrecht, hat man doch in der fernöstlichen  Gesundheitskultur den Glauben an die Ganzheitlichkeit und die Einheit von Körper, Geist und Seele nie aufgegeben. Neuerdings sind nicht einmal mehr Besuche beim chinesischen Arzt oder mystische Gymnastik nötig. Denn mit kleinen Wundermaschinen wird die Körperenergie angeblich bequem wieder in Schwung gebracht.


Die Maschine macht´s

"Erleben Sie fernöstliche Lebensenergie", bewirbt ein Vertreiber ein kleines Gerät, inklusive Drehscheibe, Kissen und automatischem Timer, zum Sonderpreis von 33,33 Euro. Dabei handelt es sich um eine so genannte "Chi-Maschine”, von denen es mittlerweile die verschiedensten Ausführungen gibt. Die Benutzung ist in jedem Fall denkbar einfach: Das Gerät wird auf den Boden gestellt, man legt sich flach auf den Rücken, die Füße werden oberhalb der Ferse in die dafür vorgesehenen Mulden der Fußstütze gelegt. Mit einem Timer stellt man die gewünschte Zeit ein. Dann beginnt die Fußstütze, sich hin und her zu bewegen, die Füße schwingen also von Seite zu Seite. Diese Bewegung überträgt sich über die Beine auf den ganzen Körper bis hoch zum Kopf. Die dabei entstehende Bewegung gleicht der eines Fischs im Wasser. Nach Ablauf der Zeit bleibt man noch etwas liegen. Fertig. Dieses Gerät steht stellvertretend für eine Generation neuer Wellness-Anwendungen, die bereits unter dem Oberbegriff "Speed-Wellness” den Markt erobern. Gemeinsames Merkmal: Schneller und sensationell bequemer Erfolg für den Anwender.

Speed-Wellness erfüllt Herzenswünsche

Mit der Chi-Maschine würden Sie sich den Aussagen der Hersteller und Vertriebsfirmen zu Folge 90 Minuten Wandern oder Walking ersparen.  Die Liste der angeblichen gesundheitlichen Wirkungen ist beachtlich. Und, nicht zu vergessen: Ihre Lebensenergie (Qi) wird aktiviert. Genauer gesagt: Wenn Sie das Gerät morgens benutzen, werden Sie vitalisiert, wenn Sie es abends benutzen, werden Sie entspannt. Wie die genau  entgegengesetzte Wirkung zustande kommt, bleibt leider ungeklärt.

Chi-Maschinen im Test

Vor wenigen Monaten berichtete das Lifestyle-Magazin Fit for Fun über den "Swing zu mehr Power” (Heft 12/2003). Der "Fit for Fun Experte” Thomas Marquardt (Physiotherapeut) testete verschiedene Modelle hinsichtlich Ausstattung, Handhabung, Geräuschentwicklung und Verarbeitung. Ihn überzeugten nur zwei Geräte, für 680 bzw. 750 Euro, die er nach eigenen Aussagen auch selbst benutzt (die übrigen lagen zwischen 49,95 und 169,00 Euro und fielen im Test durch). Entscheidend, so wiederholte Marquardt die Aussagen der zugehörigen Vertriebsorganisation, sei der richtige Schwung, den die Maschine auslöse und die exakte Schwingungszahl pro Minute. Der Körper müsse perfekt in Form einer Acht schwingen. Und das wäre eben nur bei den teuren Produkten gewährleistet. Gleiche Strenge gelte für die Schwing-Frequenz. Der Theorie zufolge muss diese dem durchschnittlichen Ruhepuls des Menschen, ca. 70 Schläge pro Minute, entsprechen. Da jedoch der "Einpump- und Auspumprhythmus” berücksichtigt werden müsse, betrage die optimale Schlagzahl der Chi-Maschine natürlich die doppelte Zahl von Ausschlägen, nämlich 140-150  pro Minute.

Alle wollen mitverdienen

Aufgrund der Patentrechte darf das viel gelobte "Spitzengerät” nicht einfach nachgebaut werden. Die Wettbewerber machen aus der Not eine Tugend. Sie setzen auf einstellbare Geräte mit der Begründung unterschiedlicher Körpergewichte der Benutzer. Und  sie entlarven die hohen Preise der "700,00 Euro Klasse” mit dem dahinter steckenden Multi-Level-Marketing (Strukturvertrieb). Original-Zitat: "Der Vertrieb läuft oft über sechs und mehr Stufen und jede Stufe will daran verdienen”. Ein Blick in die offen zugänglichen Vertragstexte der Vertriebszentralen bestätigt das.

Mehr als 1,5 Millionen verkaufte Geräte

Den wahren Wirkungen der Chi-Maschine ist nur schwer auf die Spur zu kommen. Zwar wurde die Original Chi-Maschine "Sun Ancon Aerobic Exerciser” 1993 mit einem "Silver Eagle” ausgezeichnet, hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Wissenschaftspreis, sondern um eine Ehrung der Vermarktungs-Branche.  Erfinder des Apparates ist ein älterer Japaner namens Dr. Shizuo Inoue, der von den Gerätevertreibern als anerkannte Kapazität bezeichnet wird. Er soll erst 38 Jahre lang über 100.000 japanische Patienten untersucht haben, bevor ihm die Idee zur Chi-Maschine kam. Inoue ließ sich die "richtige Heilschwingung” patentieren und erteilte einer japanischen Firma exklusiv die Lizenz zum Bau des Gerätes. Seitdem hat es sich nach Angaben der Vertriebsfirma weltweit über 1,5 Millionen Mal verkauft.

Die Geschäfte der Experten

Kritiker oder Skeptiker werden gerne auf das Buch von Günter Albert Ulmer aus dem badischen Tuningen verwiesen ("Mit der Chi-Maschine zu neuer Lebenskraft, Vitalität und Lebensenergie”). Der beruft sich jedoch bei der Darstellung des Gerätes und seiner Wirkungen auf die Behauptungen des Erfinders, der Hersteller oder der Vertriebsorganisation. Ulmer scheint übrigens am Verkauf der Geräte nicht unwesentlich beteiligt zu sein. Wie sonst will man sich erklären, dass unter seiner Adresse und Telefonnummer die "Gesundheitsversand Heine GmbH” firmiert, die am Ende seines Buches unmissverständlich als Bestelladresse für die Chi-Maschine von Ulmer selbst empfohlen wird? Das Vorwort zu seinem Buch hat übrigens ein gewisser Gerhard Braun geschrieben, der von der weltweit operierenden Vertriebsorganisation Hsin Ten als Hauptrepräsentant für Deutschland gelistet wird.

Auch das immer wieder als wissenschaftliche Referenz zitierte "Centrum für ganzheitliche Diagnostik” in München erscheint dubios, da dessen ärztlicher Leiter Peter Rohsmann ebenfalls in den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln verstrickt ist (seine Firma heißt Arcadia Eden GmbH) und sich seine Kaufempfehlungen für die Chi-Maschine nicht gerade wie ein seriöses Gutachten liest ("Für 765,- Euro bekommen Sie ein Gerät, das Sie weit länger als die angegebene Garantiezeit von 2 Jahren nützen können”) .

Abnehmen mit der Chi-Maschine?

Bleibt noch der viel zitierte Mediziner Dr. Neil Piller von der australischen Flinders Universität, der mit Hilfe der Chi-Maschine wissenschaftliche Untersuchungen mit erstaunlichen Erfolgen durchgeführt haben soll. Leider lassen sich diese Untersuchungen in keiner anerkannten Fachzeitschrift wieder finden. Tatsächlich hat Dr. Piller einen Beratervertrag mit Hsin Ten Enterprises Australia und betreibt entsprechende Auftragsforschung für die Vertriebsorganisation. Die immer wieder in der Werbung behauptete Gewichtsreduktion durch die Chi-Maschine beruht übrigens wahrscheinlich auf einer Studie von Piller an Patienten mit Lymp-Ödemen. Diese erzielten im Schnitt immerhin einen Gewichtsverlust von 500 Gramm nach dreiwöchigem Training mit dem Gerät, was allerdings auf den verbesserten Lymph-Abfluss, und nicht etwa auf eine Abnahme von Fettpostern zurückzuführen war.

Das alles mag die zufriedenen Käufer nicht kümmern. Vertriebsfirmen veröffentlichen auf ihren Internetseiten deren Erfolgsgeschichten. Mit Begeisterung schwärmen sie von Heilung in ausweglosen Situationen ("Ich kann wieder laufen!”), von Besserung bei "austherapierten Rückenerkrankungen” und zahlreichen weiteren "wahren Wundern”. Die Chi-Maschine mag entspannen und Muskeln lockern, aber das ist auf viele andere und günstigere Arten auch möglich.

Dipl.-Psych. Lutz Hertel
Vorsitzender des Deutschen Wellness Verbandes e.V.

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