Wellness: Das Leben, wie es sein sollte, und wie ich es bekomme
Wellness, das ist Entspannung und Wohlfühlen. Das Gegenprogramm zum Alltagsstress. Für ein paar Minuten, Stunden oder Tage gönnen wir uns, was uns guttut, um dann in den Lebensalltag zurückzukehren. Kann man dem Leben selbst vielleicht auch mehr Wellness verleihen? Wir hätten zumindest einen guten Plan dafür.
Woran merke ich, dass in meinem Leben etwas falsch läuft?
Oft merkt man es an innerer Unausgeglichenheit, die entweder immer wieder hochkommt, oder sich stetig vergrößert. Es sind negative Stimmungsveränderungen. Dazu gehören Unzufriedenheit, Gedanken wie „So kann es nicht weitergehen“, „Ich halte das nicht mehr aus“. Gefühle von Lustlosigkeit, Deprimiertheit und Erschöpfung, manchmal aber auch erhöhter Reizbarkeit, Ärger oder Wut. Das geht auch mit körperlichen Symptomen einher, bis hin zu ernsten Erkrankungen: Verspannungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Herzbeschwerden, psychischen Störungen. Der Körper gibt uns zu verstehen, das mit unserem Leben etwas nicht stimmt. Manchmal wissen wir das auch schon länger, aber wir handeln nicht.
Was hindert uns daran?
Vielen Menschen gelingt es erstaunlich lange, die Unstimmigkeiten in ihrem Leben auszublenden, auszuhalten und sich damit zu arrangieren. Wir sind Gewohnheitstiere. Im Grunde ist das eine gute Sache, denn einmal eingeübte Verhaltensmuster sparen uns enorm viel Energie. Wir müssen nicht immer wieder neu nachdenken und uns entscheiden. Während Lebenspartner, Freunde oder Kollegen sich manchmal schon länger fragen, wann sich endlich etwas bei uns ändert, bevorzugen wird es offenbar, in unserem alten Leben zu verharren. Unser unbefriedigendes aber gewohntes Leben – das vertraute Unglück, – scheint uns das kleinere Übel zu sein als das Wagnis und der Aufwand für ein unbekanntes Glück.
Und wie gelingt es, sich aus dieser Zwickmühle zu befreien?
Da spielt die Motivation eine ganz große Rolle, denn sie ist der Treibstoff, die Energie, um den inneren Widerstand gegen Veränderungen überwinden zu können. Um die Motivation zu wecken, müssen wir die elementaren Wellness-Bedürfnisse erkennen, die uns unser Leben gerade nicht erfüllen kann. Das, wonach wir uns im Grunde unseres Herzens sehnen: Anerkennung, Wertschätzung, Liebe, Lebensfreude, Stärke, Freiheit, Autonomie, Erkenntnis, Lebenssinn. Das Leben, wie es eigentlich sein sollte. Wir wissen meist sehr genau, was wir nicht oder nicht mehr wollen. Unser Gehirn braucht aber starke Bilder, Visionen von uns selbst, wie wir uns sehen, wenn wir in unserem richtigen Leben angekommen sind. Solche positiven Bilder entwickeln eine magische Anziehungskraft, zünden die Motivation, die viel mächtiger ist als die Angst vor dem Unbekannten und die Trägheit, die uns verharren lässt.
Mit einer Vision ist es aber doch sicherlich nicht getan, oder?
Stimmt. Da müssen wir uns nur diejenigen anschauen, die nur gute Vorsätze haben, aber eben nichts darüber hinaus: Sie scheitern. Das gute Leben wie es sein sollte, erfordert klare Ziele, gute Pläne und konkrete Aktionen. Das Ziel muss mich motivieren, der Plan muss realistisch sein und die Aktionen dürfen mich nicht überfordern. In den letzten 30 Jahren meiner Arbeit als Wellness-Experte habe ich bei Menschen, die etwas in ihrem Leben ändern wollten, immer wieder zwei gegensätzliche Grundtypen erlebt: Die einen bevorzugen einen radikalen Schnitt, die Ganz-Oder-Gar-Nicht-Methode, die anderen wählen das Prinzip „Step by Step“. Ich kann nicht sagen, dass der eine Weg grundsätzlich besser funktioniert als der andere. Es hängt vom Typ ab, der ich bin. Der Vorteil der radikalen Variante ist: Die Wirkung, der Erfolg, tritt viel schneller und intensiver ein als bei dem schrittweisen Vorgehen. Man beginnt im wahrsten Sinne des Wortes ziemlich sofort und drastisch ein neues Leben. Dass erinnert ein wenig an die neue Identität in einem Zeugenschutzprogramm. Die zweite Strategie hat aber auch ihren Vorteil, und sie ist nach meiner Erfahrung die beliebtere: Es ist ein sanfter Weg, es ist deutlich weniger Willenskraft erforderlich und man kann kaum damit scheitern. Aber es gibt auch einen Nachteil: Man braucht deutlich länger, bis das ganze Leben ein anderes ist. Ich möchte diesen sanften Weg dennoch etwas genauer beschreiben.
Der Step by Step Wellness-Plan für ein besseres Leben
Als Gesundheitspsychologe und Wellness-Experte habe ich mich mit verschiedenen Möglichkeiten beschäftigt, wie gesundheitliche Krisen aus eigener Kraft besser bewältigt werden können. Dabei begegneten mir die psycho-onkologischen Arbeiten von Carl O. Simonton, einem amerikanischen Facharzt für Onkologie. Er empfahl Krebspatienten einen auf zwei Jahre angelegten Wellness-Plan, mit dem es ihnen in ihrer existenziell bedrohlichen Lebenssituation besser gehen sollte (Getting well again, auf Deutsch: Auf dem Wege der Besserung). Anders als hier in Deutschland bedeutet Wellness in den USA, ein rundum gesundes und glückliches Leben in Selbstverantwortung zu führen, also nicht nur der Versuch, als Ausgleich für ein gestresstes oder unausgeglichenes Leben eine "Ich-Zeit" zu konsumieren, ob nun in Form eines gelegentlichen Wellness-Urlaubs oder einer Entspannungsmassage im Spa nebenan. Ich halte diesen Plan jedenfalls für eine sehr gute Anleitung, wenn man sein Leben Schritt für Schritt zum Besseren verändern möchte, damit es so ist, wie man es sich eigentlich wünscht.
Die sechs Wellness-Bereiche des Lebens
Der Schlüssel zum Erfolg, und da orientire ich mich an dem Vorschlag von Dr. Simonton, ist ein Stufenkonzept über zwei Jahre, mit einem Plan für sechs grundlegende Lebensbereiche, von denen die Wissenschaft weiß, dass sie für ein glückliches und gesundes Leben von fundamentaler Bedeutung sind. Es sind diese sechs Wellness-Bereiche:
- Die Haupttätigkeit in meinem Leben (entspricht bei vielen der Lebensaufgabe).
- Meine Freizeitaktivitäten aus reiner Freude oder aus leidenschaftlichem Interesse.
- Körperliche Aktivitäten, Bewegung, Training, Sport.
- Die zwischenmenschlichen Beziehungen, Freundschaft, Liebe, Vertrautheit und Geborgenheit.
- Essen und Trinken, Ernährungsgewohnheiten, Kochen, Esskultur.
- Entspannung, Erholung, Besinnung, Achtsamkeit.
Bevor der Wellness-Plan zum Einsatz kommt, geht es erst einmal um zwei Fragen.
Erstens: Wie viel Aufmerksamkeit, wie viel Zeit meines Lebens widme ich jedem dieser sechs Bereiche aktuell?
Zweitens: Entspricht das meinen eigentlichen Wünschen und Prioritäten, die für mich ein gutes Leben ausmachen?
Wenn ich mit meinem jetzigen Leben unzufrieden bin, dann wird es vermutlich Abweichungen in einem oder in mehreren dieser sechs Wellness-Bereiche geben. Für die Motivation ist es nun ganz wichtig, sich die dritte Frage zu beantworten:
In welchem Bereich wünsche ich mir am meisten eine Veränderung? In welchem Bereich dann?
Und so weiter. Es geht also darum, die sechs Wellness-Bereiche in eine Reihenfolge zu bringen, und zwar nach Lust und Sehnsucht und nicht nach „müsste“ oder „sollte“. Auf Platz 1 steht der Bereich, auf den ich die meiste Lust habe. Und dann folgen die weiteren fünf entsprechend dem Ausmaß meiner Motivation. In dieser Reihenfolge werden die sechs Felder in der ersten Spalte des Wellnessplans ausgefüllt.
Die richtigen Ziele setzen
Dann geht es darum, konkrete Ziele für den Wellness-Bereich zu formulieren, der ganz oben, in der ersten Zeile des Plans, steht. Es ist das erste Etappenziel, das in spätestens drei Monaten erreicht werden soll. Achtung: Ein Ziel muss immer konkret und messbar sein (was, wann, wie viel, wie oft, mit wem, usw.). Für das erste Ziel dieser Kategorie (und aller folgenden auch) reicht es, die Hälfte dessen festzulegen, was man schon jetzt tut. Das gehört zur Taktik dieses Plans: Jedes Ziel sollte leichter zu schaffen als zu verfehlen sein. Rückschritte oder Hindernisse werden in Plänen meistens nicht berücksichtigt. Aber sie sind Teil des Lebens und dürfen nicht in enttäuschter Aufgabe des Vorhabens münden. Mit dieser vorsichtigen Taktik haben wir die besten Chancen, unseren Plan zu erfüllen und letztlich unser gesamtes Ziel zu erreichen: Ein neues, besseres Leben.
Wenn das erste Drei-Monatsziel im Plan eingetragen ist, sind die nächsten beiden Etappen an der Reihe: Das Sechs-Monatsziel und das Neun-Monatsziel. Es geht natürlich darum, sich eine leicht erreichbare, messbare Steigerung der eigenen Aktivitäten vorzunehmen, im Sinne von öfter, länger, mehr, ... Die Ziele dürfen aber niemals unangenehmen Druck auf mich ausüben oder Versagensangst hervorrufen. Der Plan ist auf zwei Jahre ausgelegt. Wir dürfen uns Zeit lassen. Vergnügen statt Verpflichtung! Was uns Freude und Lust macht, werden wir von selbst gerne und öfter tun. Und wenn das mal mehr sein sollte, als wir es uns im Plan vorgenommen haben, dann machen wir es einfach mehr.
Schritt für Schritt zum Erfolg
Nachdem die Drei-, Sechs- und Neun-Monatsziele der obersten Kategorie im Wellness-Plan stehen, folgen die Ziele für die zweite und die dritte Kategorie, alles nach demselben Prinzip. Achtung: Das Ausfüllen des Plans endet in dieser ersten Planungsphase bei den Neun-Monatszielen der Kategorien 1, 2 und 3. Alle dunklen Flächen im Plan werden nicht ausgefüllt. Es kommt also alle drei Monate eine weitere Kategorie mit ihrem ersten Minimalziel hinzu. Die sechste und letzte Kategorie startet erst nach eineinhalb Jahren. Das ist nicht schlimm, denn sie steht an letzter Stelle meiner persönlichen Prioritäten. In den nächsten Monaten kann ich damit beginnen, schrittweise alle übrigen Felder auszufüllen, sowohl für die ersten drei Kategorien, also auch für die letzten drei. Es funktioniert immer nach demselben Prinzip. Es sollte nur in keiner Kategorie länger als neun Monate im Voraus geplant werden.
Wenn wir feststellen, dass unser Plan uns Schwierigkeiten macht oder wir Lust und genügend Energie für mehr haben, können wir ihn natürlich auch ändern. Alle drei Monate können wir uns den Plan ansehen und entscheiden, ob er und so gefällt und ob er noch stimmig ist mit dem, was sich sonst in unserem Leben und um uns herum verändert hat. Falls nicht, passen wir ihn einfach an. Das gilt auch für die Reihenfolge der späteren Kategorien. Wir sind vollkommen frei. Wichtig ist, dass wir den Plan nicht in einer Schublade oder in einem Dateiordner auf dem Computer verschwinden lassen, sondern ihn vor unseren Augen behalten, zum Beispiel in der Küche, im Badezimmer, an unserem Schreibtisch, beim Einschalten des Computers.
Mit diesem Wellness-Plan stehen die Chancen gut, sich selbst das Leben zu erschaffen, wie es eigentlich sollte. Ohne Hast, ohne Druck, ohne „müsste“ oder „sollte“. Es ist eine funktionierende Alternative zum planlos Unglücklichsein. Ich bin mehrmals Menschen wiederbegegnet, denen ich vor längerer Zeit die Anwendung des Wellness-Plans vermittelt habe. Sie sagten mir, teils mit Freudentränen in den Augen , dass ich ihr Leben damit völlig verändert hätte und dass es ihnen heute bedeutend besser ginge. Diese Erlebnisse haben mir bestätigt, dass der Wellness-Plan ein gutes Werkzeug nicht nur für Krebskranke sein kann, sondern eigentlich für alle, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind.
Die Vorlage für den Wellness-Plan steht Mitgliedern des Deutschen Wellness Verbands zur Verfügung.
Der Autor: Lutz Hertel ist selbständig tätiger Gesundheitspsychologe in Düsseldorf. Er war in der Lebensstil-Hochschulforschung aktiv und unterstützt seit mehr als dreißig Jahren Menschen dabei, ihr Leben erfolgreich zum Besseren zu verändern. Auch in Unternehmen leistet er entsprechende Beratung und bietet Beschäftigten in individuellen Sprechstunden Unterstützung bei beruflichen und betrieblichen Veränderungsprozessen an. 1990 initiierte er den Deutschen Wellness Verband und ist seitdem geschäftsführender Vorsitzender.