Der Wellness-Hype: Eisbaden und Kryotherapie

Ein neuer Hype hat den Wellnessmarkt erfasst: Eisbaden und sonstige Extremkälte-Erlebnisse bis hin zur Kälte- oder Kryotherapie. Es geht um den gezielten Einsatz von Kälte, lokal an bestimmten Körperstellen oder auch am ganzen Körper. Bei Ganzkörperanwendungen wird von Immersion gesprochen (Eintauchen). Ganz neu ist die Idee nicht. Schon der als Wasserpfarrer in die Geschichte eingegangene Sebastian Kneipp aus dem bayerischen Wörishofen glaubte an die Heilkraft des kalten Wassers.

Nicht nur wir haben uns gefragt, was eigenlich die wissenschaftliche Evidenz dafür ist, dass die alten und neuen Kälteanwendungen tatsächlich die Gesundheit verbessern. Und ist das alles ein gesunder Spaß oder gibt es auch ernsthafte Risiken dabei?

Eisbaden

Man taucht dabei bis zum Hals in eisiges Wasser ein – eine extreme Grenzerfahrung, die zur Ausschüttung von Stresshormonen führt. Manche berichten von unmittelbaren Glückgefühlen und mentaler Klarheit. Gibt es über solche momentanen Effekte hinaus aber auch noch gesundheitliche Wirkungen, wie behauptet wird?
Fakt ist: Man weiß es nicht. Die wenigen bisherigen Studien waren kaum aussagekräftig und haben auch gar nicht überprüft, ob Eisbaden körperlich oder psychisch gesund hält und vor Infektionskrankheiten schützt. Andererseits ist aber bekannt, dass Eisbäder mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden sind.

Wim Hof Methode

Diese Trainingsmethode einer Niederländers namens Wim Hof ("The Iceman") aus Atemtechnik, Meditation und Kältegewöhnung (Eisbäder) soll vor Infektionskrankheiten schützen, bei Depressionen und chronischen Gelenkentzündungen, Schmerzen und anderen Gesundheitsproblemen helfen.
Fakt ist: Wissenschaftliche Belege fehlen. Die wenigen kleinen Studien sind mangelhaft und nicht aussagekräftig.

Kältekammer

Die „Kryotherapie“ wird mit allerlei gesundheitlichen Effekten beworben. Man hält sich nahezu unbekleidet für kurze Zeit in einer geschlossenen Kammer bei einer Raumtemperatur von minus 110 bis 160 Grad Celsius auf. Der Kälteschock soll Rheuma und verschiedenste Arten von Schmerzen lindern, hilfreich bei Erkrankungen der Psyche und des Nervensystems sein. Sportler sollen leistungsfähiger werden, Muskelkater soll sich bessern.
Fakt ist: Es gibt etliche Studien, die behaupteten Wirkungen konnten aber nie überzeugend belegt werden. Außerdem kann es zu sehr unangenehmen Nebenwirkungen kommen. Die bisherigen Studien haben grobe Mängel, keine ist aussagkräftig. Die oberste amerikanische Gesundheitsbehörde FDA gab nach Durchsicht der Studienlage bereits eine Warnung aus: Die Geräte seien nicht für eine therapeutische Behandlung zugelassen und keine der Behauptungen, egal ob von medizinischen oder von Wellness-Einrichtungen, sei derzeit wissenschaftlich abgesichert.

Kalt duschen und Kneippen

Um es ganz kurz zu machen: Auch für die damit behaupteten gesundheitlichen Effekte fehlen überzeugende wissenschaftliche Fakten. Bisherige Studien weisen große Mängel auf. Und auch hierbei gilt: Sich kaltem Wasser auszusetzen, wird von vielen, wenn nicht den meisten Menschen als unangenehm empfunden und kann langanhaltende Nebenwirkungen erzeugen.

 

Wellness-Hype Kryotherapie und Eisbaden - wellnessverband

 

Risiken und Sicherheitsmaßnahmen bei Kaltwasser-Immersion

Drei australische Organisationen, Royal Life Saving, AUSactive und die Swimming Pool & Spa Association SPASA, haben aufgrund der zunehmenden Beliebtheit von Kaltwasser-Immersion-Angeboten (Cold Water Immersion, kurz: CWI) eine deutliche Warnung ausgesprochen und Sicherheitsvorkehrungen angemahnt.

Unter CWI (auch Kaltwassertherapie oder Kryotherapie genannt) versteht man, wie schon beschrieben, die Einwirkung von kaltem Wasser auf den Körper zu verschiedenen, vermeintlich auch therapeutischen Zwecken. Die Wassertemperatur liegt in der Regel zwischen 10 und 15 Grad Celsius, kann aber auch bis zu null Grad Celsius betragen.

CWI ist eindeutig mit Risiken verbunden. Bei CWI-Angeboten muss deshalb die Sicherheit an erster Stelle stehen. Wie bei jeder Wasseraktivität besteht ein inhärentes Gesundheits- und auch Sterberisiko. Dieses Risiko kann bei bestimmten Personen aufgrund der physiologischen und psychologischen Reaktionen, die mit CWI verbunden sind, erhöht sein, wozu unter anderem gehören:

  • Schockreaktionen wie zum Beispiel Hyperventilation, erhöhte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck und in extremen Fällen Herzrhythmusstörungen
  • Veränderungen der Atmung: Erhöhtes Risiko des Keuchens und Inhalierens von Wasser aufgrund des Verlusts der Atemkontrolle
  • Krämpfe und Muskelkrämpfe
  • Unterkühlung und/oder Erfrierungen als Folge von zu kaltem Wasser oder längerer Exposition
  • Panikattacken

Von Anbietern oder Teilnehmenden von CWI-Aktivitäten sollten unbedingt folgende Maßnahmen erfolgen, um das Risiko zu senken und die Sicherheit zu erhöhen:

Gesundheitsscreening und Risikoeinschätzung
Die Teilnehmenden sollten sich vor der Aktivität einem Screening unterziehen, um etwaige Kontraindikationen oder Gesundheitszustände zu ermitteln, die ihr Risiko während der CWI erhöhen könnten. Ein erhöhtes Risiko haben:
• schwangere Frauen
• Personen mit chronischen oder schweren Krankheiten
• Personen, die bestimmte Behandlungsprogramme oder Medikamente einnehmen
• Personen mit Herzproblemen, Kreislaufproblemen, Bluthochdruck, Autoimmunerkrankungen
• Personen mit erhöhter Kälteempfindlichkeit (Raynaud-Krankheit)

Informierte Zustimmung
Die Teilnehmenden sollten umfassend über die potenziellen Risiken von CWI aufgeklärt werden. Diese Informationen sind wichtig, um sicherzustellen, dass die Teilnehmenden verstehen, was sie erwartet und welche Vorsichtsmaßnahmen sie ergreifen sollten. Vor der Teilnahme an CWI-Aktivitäten sollte eine ärztliche Beratung erfolgen.

Vorbereitung und Aufwärmen
Die Teilnehmenden sollten darin geschult werden, wie sie ihre Atmung während der CWI regulieren können, um die Risiken einer Schockreaktion zu minimieren. Die Teilnehmenden sollten sich auch vor und nach der CWI angemessen auf- und abwärmen, um das Risiko einer Unterkühlung und Verletzung zu senken.

Akklimatisierung
Der Aufenthalt in kaltem Wasser sollte mit einer kürzeren Dauer beginnen und allmählich gesteigert werden, wenn die Toleranz der teilnehmenden Person zunimmt. Im Zusammenhang mit kalten Tauchbecken sollten Nacken und Kopf stets außerhalb des Wassers bleiben.

Wassertemperatur
Die Wassertemperatur sollte sorgfältig überwacht und kontrolliert werden. Sie sollte nicht so kalt sein, dass sie eine extreme Belastung für den Körper darstellt. Ein Temperaturbereich von 10-15 °C wird im Allgemeinen als sicher für die meisten Menschen angesehen. Kältere Temperaturen sind möglich, erhöhen aber das Risiko einer extremen Belastung des Körpers und es wird dringend zu entsprechenden Maßnahmen zur Risikominderung geraten.

Risikobewertung
Es sollte eine gründliche Risikobewertung durchgeführt werden, deren Ergebnisse in den grundlegenden Risikomanagementplan des Betriebs bzw. der Organisation und andere Sicherheitssysteme wie Notfallmanagement und Überwachungsplan einfließen sollten.

Aufsicht
In einer Bade-/Wasser-Einrichtung sollte jederzeit eine qualifizierte und geschulte Fachkraft, z. B. ein Rettungsschwimmer, anwesend sein, um die Teilnehmenden zu überwachen, sie anzuleiten und auf unerwünschte Reaktionen oder Zwischenfälle zu reagieren.  Die Aufsichtsregelungen sollten im Aufsichtsplan der Einrichtung dokumentiert werden.

Notfallmanagement
Es sollten gut etablierte Notfall-Prozeduren vorhanden sein und regelmäßig geübt werden.  Der Notfallplan sollte die Aufgaben und Zuständigkeiten der für die Überwachung und Reaktion verantwortlichen Personen sowie den Zugang zu Rettungsausrüstung, Sauerstoff, Defibrillatoren, Decken und medizinischer Unterstützung dokumentieren.

Desinfektion

Das Wasser in CWI-Einrichtungen muss je nach Belastung durch die Teilnehmenden, die Filterung und die Zirkulation angemessen gereinigt werden, um eine sichere und hygienische Wasserqualität zu gewährleisten.

Quelle: Royal Life Saving Astralia, Stellungnahme zu Kaltwasser-Immersion, Februar 2024


Unter dem Aspekt Wellness – definiert als genussvoll gesundes Leben – kann man sich fragen, ob die Anwendung von eisiger Kälte mit den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken, den oftmals unangenehmen Empfindungen und den nicht überzeugenden wissenschaftlichen Wirknachweisen so empfehlenswert ist, wie es die Werbung der Anbieter und die Berichterstattung in den Medien erscheinen lässt. Für viele, die diesem Hype folgen, könnte es auch nur eine Challenge sein, ähnlich dem vorhergehenden Hype, um jeden Preis einmal im Leben einen Marathon laufen zu müssen.

 

 


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