Vortrag von Prof. Dr. Dean Ornish in Bad Dürrheim
2. November 1996, Bad Dürrheim (Schwarzwald)
Verleihung der Ludwig-Beckmann-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen an Prof. Dr. Dean Ornish
Ich möchte Ihnen eine kurze Zusammenfassung von mehr als 20 Jahren Arbeit geben. Ich möchte auch, dass genügend Zeit für Fragen und Diskussion bleibt, denn ich weiss, dass Sie fragen und Anmerkungen auf dem Herzen haben. Jedes Mal, wenn ich einen Vortrag halte, egal ob für Patienten oder für Ärzte, zeige ich zuerst ein Bild. In nur einem Bild ist alles ausgesagt, worum es in meiner Arbeit geht.
(Das Bild zeigt ein Waschbecken, in dem das Wasser überläuft und dabei den ganzen Boden überschwemmt. Aus dem Wasserhahn läuft ununterbrochen Wasser und strömt über den Beckenrand. Es zeigt außerdem zwei Ärzte, die unermüdlich den Boden aufwischen.)
Es wäre besser, einfach den Wasserhahn zuzudrehen, als immer wieder von neuem den Boden aufzuwischen. Manchmal ist es gut, den Boden aufzuwischen; manchmal braucht man einfach einen Bypass. Aber selbst wenn das notwendig ist, wird dabei nur vorübergehend das Problem und nicht die Ursache behandelt. Wenn wir nicht die tieferliegenden Ursachen - in diesem Fall der Herzkrankheit - angehen, werden wir es immer wieder mit denselben Problemen zu tun haben, werden wir weiterhin mit anderen, neuen Problemen konfrontiert oder müssen noch schmerzhaftere Erfahrungen machen. Genau das ist das Thema meiner gesamten Arbeit: Wenn man die Ursachen der Herzkrankheit behandelt, entspricht dies dem Zudrehen des Wasserhahns.
Die tieferliegenden Ursachen der koronaren Herzkrankheit sind:
- eine falsche Ernährung,
- fehlende Bewegung,
- Rauchen,
- Stress und Isolation.
Wenn wir das Problem bei den Ursachen packen, stellen wir fest, daß Ihr Körper eine bemerkenswerte Fähigkeit besitzt, sich selbst zu heilen. Und das geht viel schneller, als wir es früher (in der Forschung) jemals für möglich gehalten hätten. Wie Sie wissen, beinhaltet unser Herzprogramm eine besondere Ernährung, Übungen zur Stressbewältigung, Nikotinabstinenz, moderates Bewegungstraining sowie psychosoziale Unterstützung in Gesprächsgruppen.
Ich habe vor 19 Jahren zum ersten Mal an ein solches Programm gedacht. Damals war ich noch Medizinstudent und lernte bei Dr. DeBakey, einem berühmten amerikanischen Herzchirurgen, Bypassoperationen durchzuführen. Ich konnte keinen Gefallen an dieser Methode finden. Denn wir haben Menschen aufgeschnitten und haben deren blockierte Arterien mit einem Bypass umgangen. Diese Menschen kehrten dann nach Hause zurück, rauchten weiter, aßen weiterhin sehr fettreich, verminderten ihren Stress nicht und kümmerten sich auch nicht um mehr körperliche Bewegung. In vielen Fällen haben wir sie später auf dem Operationstisch wiedergesehen, weil sich ihre Bypässe wieder verschlossen hatten. Diese Tatsache wurde für mich zu einer Metapher für eine unvollständige Methode, nämlich wortwörtlich das Problem zu umgehen (Bypass heißt auf Deutsch Umgehung), ohne die Ursache zu behandeln.
Ich habe mich damals gefragt: Was geschieht, wenn man an die Ursachen herangeht? Um diese Frage zu beantworten, suchte ich mir zunächst zehn Patienten und ging mit ihnen für einen Monat in ein Hotel, in dem sie nach meinem Programm zur Lebensstiländerung lebten. Wir fanden heraus, daß diese Menschen sich sehr schnell viel besser fühlten und auch die Schmerzen in der Brust sehr schnell nachließen. Bei den meisten Patienten war die Angina Pectoris nach nur wenigen Wochen komplett verschwunden. Wir fanden vor allen Dingen durch wissenschaftliche Untersuchungen und Messungen heraus, dass die Patienten sich nicht nur subjektiv gesünder fühlten, sondern dass sie in den meisten Fällen auch tatsächlich gesünder waren.
Auf der folgenden Abbildung sehen Sie eine Thallium-Szintigraphie eines Patienten. Wir konnten damit zum ersten Mal zeigen, dass die koronare Herzkrankheit vielleicht heilbar ist und sich Blockaden in den Herzarterien vielleicht zurückbilden können. Nachdem ich 1980 mein Medizinstudium beendet hatte, führten wir eine weitere Forschungsstudie durch. Diesmal randomisierten wir die Studie, das heißt, wir richteten neben der Versuchsgruppe eine Kontrollgruppe ein, um die Ergebnisse der Studie wissenschaftlich besser zu fundieren und damit unsere Anerkennung in wissenschaftlichen Kreisen zu gewinnen.
Wir konnten feststellen, dass es den Patienten, die das Programm befolgten, innerhalb weniger Wochen besser, der Kontrollgruppe hingegen schlechter ging. Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen war wirklich bedeutend. Wir haben die Ergebnisse dann auch im "Journal of the American Medical Association" veröffentlichen können (eine große Fachzeitschrift des amerikanischen Ärzteverbandes).
Wie ist es möglich, dass Menschen in so kurzer Zeit gesünder werden? Schauen Sie auf dieses Bild: Dies ist Ihr Herz. Wie Sie wissen, pumpt das Herz Blut in den Körper. Bevor es das tut, pumpt es allerdings zuerst Blut in die Koronararterien, um sich selbst zu versorgen. Es ist eine schöne Metapher: Das Herz kümmert sich erst um sich selbst, um sich danach besser um den Rest des Körpers kümmern zu können. Wenn nun eine dieser Arterien blockiert wird, dann bekommt alles unterhalb der Blockierung in diesem Teil des Herzens nicht genug Blut und somit auch nicht genügend Sauerstoff, denn der Sauerstoff ist im Blut enthalten. Wenn dieser Zustand nur vorübergehend ist, dann bekommen Sie lediglich Schmerzen (Angina Pectoris). Wenn der Zustand aber für mehrere Stunden anhält, beginnt ein Teil des Herzmuskels abzusterben, weil ihm das lebenswichtige Blut vorenthalten wird. In einem solchen Fall sprechen wir von einem Herzinfarkt.
Auf der nächsten Abbildung sehen Sie, wie eine Arterie aussieht, wenn sie der Länge nach aufgeschnitten ist. Es gibt unterschiedliche Mechanismen, die die Herzkrankheit ausmachen: Bei den meisten Patienten ist ein Belag festzustellen (Verkalkung der Arterien: Arteriosklerose). Arterien können sich auch zusammenziehen, sich verkrampfen. Oder aber Blutplättchen verklumpen sich und blockieren teilweise oder gänzlich die Arterie. All diese Mechanismen stehen in direkter Verbindung zu der Ernährungsweise und der Wahl des Lebensstils, über den wir Menschen alltäglich selbst entscheiden. Wenn Sie mehr Fett und Cholesterin zu sich nehmen, als Ihr Körper verarbeiten kann, wird es in den Arterien enden. Es muß ja irgendwo bleiben. Selbst eine einzige Mahlzeit, die reichhaltig an Fett und Cholesterin ist, kann dazu führen, daß die Arterien sich zusammenziehen und die Blutplättchen verklumpen, was den Fluss des Blutes zum Herzen gefährden kann. Emotionaler Streß kann dazu führen, dass sich Blockaden schneller entwickeln, dass Ihre Arterien sich zusammenziehen und dass sich die Klümpchenbildung im Blut beschleunigt. Auch Nikotin in Zigaretten oder Koffein können einen Herzinfarkt verursachen.
Wenn Sie diese Faktoren verändern bzw. ausschalten, kann Ihr Körper damit beginnen, sich zu heilen. Ihr Körper und Ihr Herz haben eine bemerkenswerte Kapazität, sich selbst zu heilen. Wenn Sie dreimal täglich mehr Fett und Cholesterin zu sich nehmen, als Ihr Körper verwerten kann, muss das irgendwo bleiben. Wenn Sie damit aufhören, kann Ihr Körper beginnen, diesen Überfluss abzubauen.
Mein Programm basiert nicht auf etwas Magischem, was Ihnen geschieht und was Sie selbst nicht beeinflussen können. Es basiert schlicht auf der Behandlung der Ursachen Ihrer Krankheit. Es geht also darum, den Wasserhahn zuzudrehen.
Eine weitere Abbildung zeigt eine mikroskopische Aufnahme des Blutes. So sieht Ihr Blutfett circa vier Stunden nach dem Verzehr eines Cheeseburgers aus: Sie sehen große, gelbe Fettmoleküle, Sie sehen die viel kleineren roten Blutzellen und Sie sehen die arteriosklerotischen Ablagerungen. Ich zeige das nächste Bild, um zu betonen, wie schnell Veränderungen eintreten können: Dies ist ein Foto von Präsident Clinton und mir. Ich habe mit Bill Clinton als einer seiner ärztlichen Berater zusammengearbeitet. Heute isst er Hamburger aus Soja statt Cheeseburger aus Fleisch und Käse. Wenn er es schafft, dann schaffen Sie es auch!
Meine nächste Studie trug den Titel "The Lifestyle Heart Trial" (deutsch: die Lebensstil-Herzstudie). In dieser Studie stellten wir fest, dass die Häufigkeit von Angina Pectoris um 91 Prozent zurückging. Die Verbesserung fand in den ersten Wochen statt und blieb auch während der folgenden vier Jahre der Studie erhalten. Wir stellten auch fest, dass die Cholesterinwerte um fast 40 Prozent fielen. Was vielleicht am wichtigsten ist: Bei den Patienten der Kontrollgruppe beobachteten wir, dass die Ablagerungen in ihren Herzarterien nach einem Jahr zugenommen hatten. Vier Jahre später hatte sich ihr Zustand noch weiter verschlechtert. Das geschah, obwohl sie die Anweisungen ihrer Ärzte befolgt hatten. Diese Ärzte hatten ihren Patienten geraten, eine moderate Diät einzuhalten und zwar weniger Fleisch, mehr Fisch und Huhn zu sich zu nehmen, die Haut bei Geflügel zu entfernen usw. Sie kennen diese Ratschläge. Das ist nicht genug, um die koronare Herzkrankheit aufzuhalten. Wir haben in unseren Studien herausgefunden, dass unsere Patienten nicht kränker, sondern im Durchschnitt immer gesünder wurden. Nach einem Jahr zeigte sich in ihren Arterien eine Rückbildung der Ablagerungen, nach vier Jahren hatte sich ihr Gefäßdurchmesser noch weiter verbessert. Ich glaube, dass diese Erkenntnisse vielen Menschen neue Hoffnung geben und ihnen neue Möglichkeiten bieten, die sie vorher nicht hatten.
Wir haben außerdem herausgefunden, dass die beste Voraussage für Besserung die Fähigkeit der Patienten zur Änderung war. Je mehr sich ein Patient in seinem Verhalten und seinen Einstellungen änderte (zum Beispiel ruhiger wurde, sich als Teil einer Gemeinschaft sehen konnte, sein Essverhalten umstellte usw.), desto gesünder wurde er. Es kam nicht darauf an, wie alt oder wie krank die Patienten waren, sondern es kam darauf an, wie sehr sie ihr Verhalten geändert hatten, also wie sehr sie ihren Lebensstil verändert hatten. Das ist eine sehr hoffnungsvolle Nachricht, denn sie bedeutet, dass Sie, wenn Sie diese Veränderungen machen wollen, gesünder werden können! Es gibt keine Garantie dafür, ab es gibt ja auch sonst keine Garantien im Leben. Dennoch konnten die meisten Teilnehmer in unserer Studie feststellen: Je mehr sie ihre Verhaltensweise geändert hatten, um so besser ging es ihnen gesundheitlich.
(Die nächste Abbildung zeigt zwei ältere Herren im Schulterstand, einer Yoga-Übung)
Hier sehen Sie zwei Patienten aus New York. Zwei Brüder. Der Jüngere ist erst 88, der ältere Bruder ist 93 Jahre alt. Das war ihre Weihnachtskarte vor zwei Jahren an mich. Das nächste Bild zeigt die Karte, die ich von dem beiden vergangenes Jahr bekam. Sie wollten mir zeigen, wie sehr das Programm bei ihnen gewirkt hatte (das Bild zeigte die Brüder in einer Trickphotographie bei einem Handstand auf einem Finger). Nun ja, man kann ja nie wissen, was dieses Programm so alles bewirken kann ...
In der Lebensstil-Herzstudie führten wir Herzkatheter-Untersuchungen durch, um die Ablagerungen in den Arterien messen zu können. Auf dem nächsten Bild sehen Sie die Entwicklung - zu Beginn und nach einem Jahr. Sie können sehen, dass nach einem Jahr Programmdurchführung schon mehr Platz im Gefäß vorhanden ist, also weniger Ablagerungen als vorher. Diese kleine Veränderung in den Arterien kann eine große Wirkung auf den Blutfluss haben. Um den Blutfluss bei diesem Patienten zu messen, haben wie eine PET-Scan-Untersuchung vorgenommen. Wie Sie hier auf dem nächsten Bild sehen, hat der Blutfluß sich von einem Minimum hin zu einem Maximum entwickelt. Man kann an diesem Beispiel sehen, dass in nur einem Jahr eine geringe Öffnung der Arterie großen Einfluß auf die Verbesserung des Blutflusses hatte. Sie sehen: Es kommt wirklich auf Sie selbst an!
Das nächste Bild zeigt eine Arzt-Patienten-Situation: Der Chirurg sagt zum Patienten: "Ich kann Sie operieren oder ich setze Sie auf eine ganz strikte Diät." Der Patient antwortet: "Oh, dann operieren Sie mich lieber, denn eine Ernährungsumstellung würde meine Krankenversicherung nicht bezahlen." In der Vergangenheit haben Krankenversicherungen nicht für Lebensstiländerung und Ernährungsumstellung gezahlt. Sie zahlten 50.000 Dollar für eine Bypassoperation oder 20.000 Dollar für eine Ballondilatation, aber für Programme wie dieses hier wollten sie nichts bezahlen, da dies unter Prävention fällt und die amerikanischen Krankenversicherungen keine Finanzierung dafür übernehmen. Wie ich hörte, wollen die deutschen Krankenkassen nicht mehr für die Prävention von Krankheiten aufkommen. Das finde ich wirklich sehr bedauerlich. Vielleicht können Sie Ihren Politikern schreiben und fordern, dass weiterhin Prävention gefördert wird, denn das ist auch in ökonomischer Hinsicht sinnvoll. In den USA sind wir an die Versicherungsgesellschaften herangetreten und haben mit ihnen verhandelt.
Unsere Argumente für eine Förderung unseres Programms waren folgende: Dieses Programm bedeutet nicht nur Prävention von Herzkrankheiten, sondern es ist auch eine Alternative zu den bestehenden Behandlungsmethoden von Herzkrankheiten, und zwar eine sehr viel kostengünstigere Alternative. Jedes Jahr werden in den USA Milliarden von Dollar für Bypässe oder Ballondilatationen ausgegeben. Die Versicherungsgesellschaften entgegneten uns daraufhin, dass sie nicht für die Prävention von Herzkrankheiten aufkommen, denn Erfolge zeigen sich vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren - und dann haben die Patienten vielleicht schon die Versicherung gewechselt. Wir mußten nochmals wiederholen, dass unser Programm nicht nur Prävention, sondern auch Intervention bedeutet, also herzkranke Menschen mit diesem Programm erfolgreich behandelt werden können. Wir konnten den Versicherungen klar machen, dass sie an jedem Patienten, der unserem Programm folgt und deshalb keine Bypassoperation benötigt, sofort 50 000 Dollar sparen. Das sind echte Dollar, die heute gespart werden können und nicht erst in einigen Jahren. Selbst größere Einsparungen sind möglich, wenn man bedenkt, dass die meisten Herzpatienten mehr als nur einen Bypass benötigen.
Die Versicherungsgesellschaften wurden nun hellhörig, waren aber der Meinung, dass unsere Methode zu schwierig ist und dass niemand wirklich dieses Programm befolgen würde, dass Patienten nicht konsequent genug seien. Sie sagten: "Es ist zu schwierig, den Lebensstil zu ändern und diese strikte Ernährungsumstellung einzuhalten. Dann kommt es so, dass wir für das Programm aufkommen und später dann doch noch für die Bypassoperation zahlen müssen." Ich habe der Versicherung entgegnet, dass man das ja herausfinden kann. So haben wir also ein Demonstrations-Netzwerk eingerichtet und sind nun in acht verschiedenen Kliniken in den USA zu finden. Wir haben herausgefunden, dass circa 90 Prozent der Herzpatienten, die Kandidaten für Bypassoperationen oder Ballondilatationen waren, diese Eingriffe vermeiden konnten. Dies hatte zur Konsequenz, dass mehr und mehr Versicherungen nun für das Programm zahlen. Sie haben festgestellt, dass sie für jeden Dollar, den sie in das Programm investieren, sechs Dollar sparen können. Heute wird unser Programm von 25 Versicherungsgesellschaften in den USA gefördert, und wir hoffen, daß diese Zahl noch ansteigt.
Ich kann zu einer Krankenversicherung gehen und über Liebe und Mitgefühl, über "Öffne Dein Herz" reden - und man wird mich höchstwahrscheinlich hinauswerfen. Aber wenn man den Versicherungen klare Fakten präsentiert und beweisen kann, dass sie für jeden Dollar, den sie ausgeben, sechs Dollar einsparen können, dann wird es sie sofort interessieren. Denn das ist eine gute Geschäftsentscheidung.
Ich möchte Ihnen nun noch anhand eines Bildes ein Beispiel eines erfolgreichen Patienten aus Omaha in Nebraska zeigen. Hier ist nochmals eine PET-Scan-Aufnahme: Schauen Sie auf der zweiten Abbildung, wieviel besser es nach einem Jahr ist. Die Entwicklung bei diesem Herzpatienten hat sich sichtlich verbessert. Bei diesem Patienten haben wir durch ein weiteres Testverfahren herausgefunden, wieviel vom Herzmuskel noch lebte oder bereits abgestorben war. Wir haben festgestellt, dass die Teile, die vorher wie abgestorben gewirkt hatten, nun wieder lebendig geworden waren und begonnen hatten, wieder normal zu arbeiten. Es handelt sich hierbei um einen Mann, der auf der Warteliste für eine Herztransplantation stand. Dadurch, dass dieser Patient seinen Lebensstil änderte, war die Transplantation nicht mehr nötig und die Krankenversicherung dieses Mannes sparte in seinem Fall circa 300.000 Dollar. Bis jetzt hatten wir zwei solcher Fälle in den USA.
Nun möchte ich weg vom organischen Herzen, dem Herzen als Pumpe, und statt dessen über das Herz sprechen, das viel mehr ist als nur eine funktionelle Pumpe. Überall in der Musik, in der Kunst, in der Literatur, in Liedern und Gedichten würde niemand über das Herz im Sinne einer Pumpe sprechen. Es wird vielmehr vom Herz als dem Symbol der Liebe und des Mitgefühls, von Altruismus, Mut und Weisheit gesprochen. Wir sprechen im Amerikanischen von unseren "Sweethearts" (deutsch: süße Herzen = Lieblinge) und nicht von unseren "Sweetpumps" (deutsch: süße Pumpen). Das Herz ist eine Pumpe und wir müssen uns damit auf der physischen Ebene auseinandersetzen, wenn nötig durch Operation und Medikamente. Wir müssen jedoch auf einer tieferen Ebene arbeiten, wenn wir wirklich Heiler sein wollen und nicht nur Techniker und Mechaniker. Wir haben in unserer Arbeit gelernt, daß es sehr schwer für Menschen ist, ihren Lebensstil zu ändern, wenn sie nicht in tiefere Schichten vordringen.
In unserem Land - und vielleicht auch in Ihrem - ist die wirkliche Krankheit nicht nur die physische Krankheit, sondern auch das, was ich die emotionale und spirituelle Herzkrankheit nenne. Und damit meine ich dann auch Krankheiten wie Einsamkeit, Isolation, Feindseligkeit und Depression, die so verbreitet sind und mit dem Zusammenbruch der sozialen Netzwerke zu tun haben. Früher gab es ein soziales Netzwerk, das den Menschen das Gefühl und den Sinn für Verbundenheit und Gemeinschaft geben konnte. Ich bin etwas neugierig: Wieviele unter Ihnen können folgende vier Fragen mit Ja beantworten:
1. Leben Sie immer noch in demselben Stadtteil, in dem Sie geboren und aufgezogen wurden? Haben Sie noch die gleichen Nachbarn?
2. Haben Sie seit mindestens zehn Jahren denselben Arbeitsplatz und kennen auch seit genauso langer Zeit Ihre heutigen Kollegen?
3. Gehen Sie immer noch in dieselbe Kirche wie vor zehn Jahren?
4. Haben Sie eine große Familie, die in Ihrer Nähe wohnt und mit der Sie in regem Kontakt stehen?
Niemand? Ah, ein, zwei Leute melden sich. Das ist ungefähr das gleiche Ergebnis wie in den USA. Vor circa 50 Jahren hätten hier wahrscheinlich 80 Prozent die Hand gehoben. Nun, was macht das für einen Unterschied? Was hat das mit Herzkrankheit zu tun? Es gibt überall sehr viele einsame und deprimierte Menschen. Wenn Sie nun diesen Menschen erzählen, dass sie mit unserem Programm länger leben können, so wird sie das wenig beeindrucken und keine große Wirkung auf sie haben. Wer möchte schon länger leben, wenn er wirklich unglücklich, depressiv und einsam ist? Wir müssen tiefer gehen. Menschen nur einfach Informationen zu geben, reicht nicht aus. Ich kann mir vorstellen, dass alle hier im Raum schon einmal gehört haben, dass Rauchen schädlich ist - und trotzdem rauchen unter Ihnen noch immer einige. Warum? Nicht weil sie es nicht besser wüssten.
Als ich mit dieser Forschungsarbeit begann, wurde mir die Möglichkeit gegeben, viele Jahre mit ein und derselben Gruppe von Herzpatienten zu verbringen. Wir haben uns also sehr gut kennengelernt. Ich habe ihnen die Frage gestellt: "Warum raucht ihr, warum trinkt ihr zuviel, warum arbeitet ihr zuviel, warum nehmt ihr Drogen, warum guckt ihr soviel Fernsehen? Warum macht ihr all diese Dinge? Ich finde es nicht richtig, diese Dinge zu tun!" Sie haben geantwortet:" Du verstehst das nicht. Diese Sachen sind nicht unangebracht, sondern für uns genau richtig, denn sie helfen uns, durch den Tag zu kommen." Es ist für viele Menschen wichtiger, durch den Tag zu kommen, als sich mit der Frage zu befassen, wie alt sie nun werden. Die Aussicht, 86 Jahre anstatt 80 Jahre zu leben, motiviert diese Menschen nicht. Eine Frau aus unserer Studie sagte einmal: "Ich habe hier 20 Freunde in dieser Zigarettenschachtel, und sie sind immer für mich da, wenn sonst keiner für mich da ist. Willst du sie mir wegnehmen? Was gibst du mir dafür?"
Oder manche Menschen haben das Essen als Freund, sie essen zu viel, um etwas zu füllen, um die Einsamkeit zu verdrängen, oder aber sie trinken zu viel Alkohol, damit sie ihren emotionalen Schmerz und ihre Depressionen nicht mehr spüren müssen. Für viele Menschen ist auch Arbeit eine Droge, um sich von ihrem Schmerz abzulenken. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die wir benutzen, um uns abzulenken, zum Beispiel zuviel fernsehen, und es gibt viele Möglichkeiten, uns von dem inneren Schmerz abzulenken.
In unserem Programm geht es darum, den Schmerz zu beachten, ihm unsere Aufmerksamkeit zu schenken und nach Ursachen zu fragen. Unser Schmerz ist eine Botschaft. Wenn Sie das Leiden ignorieren und abtöten, ohne nach den Ursachen zu fragen, die sich dahinter verbergen, dann ist es so, als ob Sie die Leitung des Feuermelders durchschneiden und zurück ins Bett gehen, während Ihr Haus abbrennt. Der Schmerz ist wie der Feuermelder - er ist dazu da, uns aufzurütteln. Es geht um die Botschaft hinter dem Problem (in unserem Fall Herzkrankheit) und nicht vorrangig um das Problem selbst. Wir bitten die Menschen in unserem Programm, nun auf ihren Schmerz zu hören und Techniken zu benutzen, die den Körper und den Geist so beruhigen, dass sie wieder Frieden und Freude am Leben erfahren können. Unsere Patienten haben ihren Körper und Geist beruhigt, so dass sie das, was in ihnen immer vorhanden war, was sie aber ständig zu stören pflegten, erfahren konnten: den reinen Frieden und ein vollkommenes Wohlbefinden.
Streßbewältigungstechniken. Sie sind machtvolle Werkzeuge, die zu einer tiefgehenden Veränderung führen können, um unser Leiden zu Freude und unsere Isolation zu Gemeinschaft zu wandeln. Es finden unterstützende Gruppentreffen statt, bei denen die Teilnehmer ermutigt werden, über ihre wirklichen Gefühle und Empfindungen zu sprechen. Das findet innerhalb einer unterstützenden Atmosphäre statt, in der keine Bewertungen, Kritiken, Zurückweisungen oder Spott befürchtet werden müssen. In jeder Studie, die wir durchgeführt haben, und auch in dieser Studie aus dem "American Journal if Medicine", zeigt sich immer wieder dasselbe: Menschen, die sich einsam und isoliert fühlen, haben eine mehr als viermal so hohe Sterblichkeitsrate verglichen mit denjenigen, die sich mit anderen Menschen verbunden fühlen und in einer Gemeinschaft mit anderen leben. Mächtige Unterschiede - überall auf der Weit.
Das nächste Bild zeigt eine Studie, die sich mit Überleben und Sterblichkeit beschäftigt: Die Menschen, die unverheiratet waren und niemanden zum Gespräch hatten, keinen Vertrauten oder Partner, hatten eine sehr viel höhere Sterblichkeitsrate als diejenigen, die sich über ihre Gefühle und inneren Vorgänge - über das, was ihnen am Herzen lag, mit einer nahestehenden Person unterhalten konnten. Das gleiche Phänomen findet sich bei anderen Krankheiten, nicht nur bei Herzkrankheiten. Es gibt zum Beispiel auch eine entsprechende Studie über Frauen mit Brustkrebs. Die krebskranken Frauen wurden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen (randomisiert) aufgeteilt. In beiden Gruppen wurden die gleichen konventionellen Krebsbehandlungen durchgeführt: Bestrahlung, Chemotherapie und Operationen. Zusätzlich traf sich eine der Gruppen von Frauen ganz einfach nur einmal pro Woche für 90 Minuten in einer unterstützenden Gesprächsgruppe, um in einer vertrauensvollen Atmosphäre über ihre Gefühle zu sprechen, in einer Atmosphäre, in der sie sich sicher und aufgehoben fühlten und keine Angst vor Bewertung und Kritik haben mussten oder davor, sich lächerlich zu machen.
Diese Gruppe traf sich in dieser Form über ein Jahr lang. Fünf Jahre später zeigten die Ergebnisse folgendes: Die Frauen, die sich wöchentlich in der Gruppe getroffen hatten, lebten wesentlich länger als die Frauen aus der Vergleichsgruppe, die sich nicht in einer Gruppe trafen. Alle Frauen aus dieser Kontrollgruppe waren bereits gestorben. Die einzigen Frauen, die noch lebten, waren diejenigen, die sich regelmäßig in der Gruppe getroffen hatten. Wie kommt es, dass es einen so mächtigen Unterschied ausmacht, nur über die Gefühle zu reden? Und zwar nicht nur einen Unterschied in Ihrem Befinden, sondern auch in der Dauer Ihres Lebens? Ich glaube, es kommt daher, dass wir soziale Wesen sind. Wir haben als menschliche Spezies über Tausende von Jahren überlebt, weil wir wussten, was wir aneinander haben. Wir haben einen natürlichen Sinn für die Gemeinschaft und die mitmenschliche Verbindung. In den letzten 50 Jahren hat sich dieser Sinn verschoben und er verschlechtert sich in vielerlei Hinsicht immer weiter: Das Auseinanderbrechen in immer kleinere Gruppen, die Kriminalisierung und Zersplitterung der Welt. Unglücklicherweise bewegen wir uns immer mehr in die Richtung von Isolation und weniger in die Richtung von Gemeinschaften.
Der erste Schritt in Richtung Heilung ist, das Problem zu verstehen. Ich spreche von der Heilung des Herzens. Nicht nur die Heilung des physischen Herzens, welche wir messen können, sondern die Heilung, die sich schwieriger messen lässt, aber um so bedeutender ist: die Heilung des emotionalen Herzens, des psychologischen Herzens, des spirituellen Herzens. Und der erste Schritt für die Heilung ist, zu verstehen, was das eigentliche Problem ist. Wenn wir zeigen können, welchen Einfluss all das auf unser Überleben hat, dann können wir uns fragen, was wir tun müssen, um unser verlorenes Verständnis von Verbundenheit und Gemeinschaft wieder zu erlangen.
Dr. Brusis, Dr. Siegrist, Lutz Hertel und andere Menschen beginnen damit, Programme wie diese durchzuführen. Sie sind sehr gute Ressourcen für Sie! Aber darüber hinaus können Sie selbst sehr viel bewirken. In Ihrer eigenen Familie, in Ihrem eigenen Umfeld, wenn Sie lernen können, Ihre emotionale Abwehr abzubauen und mit Menschen, denen Sie vertrauen, darüber reden zu können, wer Sie wirklich sind und was Sie wirklich fühlen. Das kann eine sehr wirksame Heilung sein. Und fest steht, dass immer dann, wenn etwas schwieriger im Leben wird, es auch an Bedeutung gewinnt.
Fragen von Herzpatienten aius dem Publikum
Frage: Es gibt ein Mittel namens Niacin oder auch Endoracin, das eine Wirkung gegen hohes Cholesterin verspricht, in Deutschland aber verboten ist. Frage: Empfiehlt Dr. Ornish diese Mittel?
Ornish: Nicht empfehlenswert! Es ist noch nicht eingehend auf die Wirkungen hin geprüft. Wenn der Fragende sich ganz strickt an das Programm hält, braucht er nicht auf cholesterinsenkende Medikamente zurückzugreifen. Wenn sein Cholesterinspiegel trotzdem zu hoch bleibt, dann sollte er seinen Hausarzt besuchen und mit ihm über Medikamente sprechen, die bereits geprüft sind und sicheren Erfolg versprechen.
Frage: Wie lange habe ich mit der Methode Ballondilatation kombiniert mit einem neuen Stent zu leben?
Ornish: Danke - ich weiß diese Frage zu schätzen. Nun, ich kann Ihnen leider nicht vorhersagen, wie lange Sie noch leben werden. Aber das Problem bei diesen Methoden ist eben bei unserem Beispiel: den Boden ständig aufzuwischen, anstatt den Wasserhahn zuzudrehen. Denn bei ca. einem Drittel bis zur Hälfte der dilatierten Engstellen kommt es nach 4 bis 6 Monaten wieder zu einer Restenosierung (deutsch: erneute Verengung). Ärzte haben nun einen "Stent" entwickelt, der wie eine Feder wirkt und so die Arterie offen hält. Es gibt leider noch zu wenig Erfahrung mit dieser Methode, so dass die Langzeitwirkung noch nicht bekannt ist.
Frage: Wirkt das Ornish-Programm auch für Patienten mit einem Herzklappenfehler?
Ornish: Wir haben nicht viel Erfahrung mit diesem Problem. Mit sind viele Menschen mit diesem Problem bekannt, die zusätzlich an einer Arterienerkrankung leiden und die Kombination von beidem kann besonders gefährlich - sogar tödlich sein. Das Programm hilft in diesem Fall nicht unbedingt bei einem Herzklappenfehler, aber es hilft dennoch dem Rest des Herzens und kann sich somit positiv auf das gesamte Herz auswirken:
Frage: Was halten Sie von hochpotenzierten Vitaminen als Ernährungsergänzung zu Ihrer Ernährungsempfehlung?
Ornish: Nun, es kommt immer darauf an. Es kommt darauf an, was sie sonst zu sich nehmen. Wenn jemand eine sehr fettreiche Nahrung isst und dann zusätzlich viele Vitamintabletten zu sich nimmt, werden sie ihm nicht viel nützen. In Ergänzung zu meiner empfohlenen Ernährung genügt eine Vitamintablette mit Vitamin A, Vitamin E und Vitamin C pro Tag zu nehmen. Außerdem empfiehlt es sich eine sehr geringe Menge Leinöl zu sich zu nehmen, etwa die Hälfte eines Teelöffels oder noch weniger. (Erklärung siehe unten)
Frage: Wenn der Cholesterinspiegel relativ in Ordnung ist, kann man dann die Ornish-Diät nicht etwas abwandeln? Also etwas Fett zu sich nehmen, etwas Fisch essen und sonst fleischreduziert essen? Reicht das nicht aus?
Ornish: Nun, es kommt darauf an, wie viele Bypässe Sie noch gerne hätten....! Jetzt im Ernst: es gibt sehr große Unterschiede darin, wie gut Menschen Cholesterin und Fett im Körper verarbeiten können. Manchen fällt es sehr leicht und sie werden 100 Jahre alt, obwohl sie sich ihr ganzes Leben sehr ungesund ernährt haben. Es gibt ein ganzes Spektrum an Möglichkeiten. An dem einen Ende des Spektrums stehen diejenigen, die das Cholesterin und das Fett sehr gut abbauen können, so dass es fast egal ist, womit sie sich ernährt haben. Das ist sehr selten, aber es gibt solche Menschen. Alle anderen Menschen, die sich so ernährt haben, sterben frühzeitig. Am anderen Ende des Spektrums sind die Menschen, die herzkrank sind - Menschen wie Sie. Im allgemeinen sind Menschen mit einer Herzkrankheit nicht sehr gut hinsichtlich der Verarbeitung von Fett und Cholesterin. Das ist der Grund, warum sie herzkrank geworden sind: weil sie mehr Fett und Cholesterin zu sich genommen haben, als ihr Körper verarbeiten kann. Eine leicht veränderte Ernährung ist also vielleicht ausreichend für jemanden, der gesund ist. Bei Ihnen hat sich bereits gezeigt, dass sie herzkrank sind, und wenn Sie möchten, dass Ihr Bypass offen bleibt, dann müssen Sie die Ernährungsempfehlungen genau einhalten oder cholesterinsenkende Medikamente zu sich nehmen.
Frage: Ist es nötig, ganz auf Fisch zu verzichten? In Deutschland wird Koronarpatienten Fisch als positives Mittel gegen Herzkrankheit empfohlen. Was können Sie zu diesem Widerspruch sagen, da bei Ihnen ja kein Fisch vorgesehen ist?
Ornish: Vielen Dank für diese Frage. Sie bietet mir die Möglichkeit, zu diesem Widerspruch Stellung zu beziehen. Das Konzept der Ernährung, die ich empfehle, ist sehr einfach. Es basiert darauf, Cholesterin fast auf Null zu reduzieren und die Fettaufnahme auf 10 % zu begrenzen. Ihr Körper stellt das gesamte Cholesterin, das er benötigt, selbst her. Es ist nicht erforderlich, Cholesterin durch die Nahrung aufzunehmen. In Fisch ist Cholesterin und Fett enthalten. Es ist zwar besser, Fisch zu essen als Schwein oder Rind, aber noch besser ist es, wenn Sie ihn überhaupt nicht essen. Das Gute an Fisch ist, dass er mehrfach ungesättigte Fettsäuren enthält. Diese mehrfach ungesättigten Fettsäuren können zur Vorbeugung von Herzrhythmusstörungen nützlich sein, die manchmal zum plötzlichen Herztod führen können. Das ist der Grund, warum Leinöl hilfreich sein kann. Das ist der Grund, warum Leinöl hilfreich sein kann. Es enthält eine höhere Konzentration von mehrfach ungesättigten Fettsäuren als Fisch oder Fischöl, ohne das schädliche Cholesterin.
Frage: Ich habe eine Frage zu der hochgiftigen Aminosäure Homocystein. Sie rauht die Innenwände der Herzarterien auf und schafft dem Cholesterin erst die Gelegenheit, sich dort anzusetzen. Warum wird dieses Homocystein bei einer Herzbehandlung nicht gemessen? Die Methode dazu ist sehr einfach!
Ornish: Leider habe ich auch keine Antwort auf diese Frage, außer dass es vielleicht zu teuer ist, diesen Wert zu messen. Eine andere wichtige Frage ist aber auch, warum man in Krankenhäusern Essen bekommt, in dem Homocystein sehr stark vorhanden ist. Homocystein ist in Fleisch vorhanden, im Gegensatz zu einer vegetarischen Ernährung, in der es kaum vorhanden ist. Eine vegetarische Ernährung ist aber sehr reich an Folin, das Homocystein verarbeitet und zerstört. Fleisch ist z. B. auch sehr eisenhaltig. Eisen oxidiert Cholesterin zu einer Form, die es gefährlich macht. In einer pflanzlichen Ernährung ist das anders, denn dort sind sehr viel Antioxidantien vorhanden, die helfen, einer Cholesterinmodifizierung vorzubeugen.
Was ich an dieser Stelle gerne noch anmerken möchte: Große Veränderungen sind viel einfacher als kleinere Veränderungen. Als ich selbst mit dieser großen Veränderung der Lebensweise begann, habe ich festgestellt, dass ich mich sehr viel besser fühlte. Ich konnte klarer denken und ich habe mein neues Lebensgefühl so genossen, dass es mir wert war, Fleisch und Fett aufzugeben. Und das, obwohl ich aus Texas stamme und gerne 4 bis 5 mal am Tag Fleisch gegessen hatte. Es ist keine gute Motivation, Angst vor dem Sterben zu haben und die Aussicht auf ein längeres Leben ist auch keine gute Motivation. Sich aber heute besser zu fühlen, ist für die meisten Menschen eine gute Motivation. Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie diese Veränderungen alle auf einmal machen, werden sie sich besser fühlen! Sie werden besser aussehen. Männer haben sogar ihre sexuelle Potenz steigern können, denn es ist nicht nur das Herz, das besser durchblutet wird. Nikotin und Zigaretten bewirken sogar das Gegenteil: 40 % aller Männer, die rauchen, haben Probleme mit ihrer sexuellen Potenz.
Frage: Ist Ihre Diät auch für Kinder gut?
Ornish: Ja, sie ist auch für Kinder geeignet. Wenn die Kinder sich allerdings noch im Wachstum befinden, sollte dieser Ernährung etwas Fett und vielleicht etwas Fisch zugefügt werden. Babies sollten gestillt werden - das ist ganz eindeutig das Beste. Säuglinge brauchen Kalorien und Fett, aber nicht von einer Kuh, sondern von der Mutter. Es werden nämlich neben den richtigen Nährwerten auch die wichtigen Immunantikörper übertragen, die sie gegen Infektionen schützen.
Frage: Wie kann man verhindern, das sich das gute HDL verringert?
Ornish: Der Körper produziert HDL, um das überschüssige Fett und Cholesterin abzubauen. Wenn Sie nun Fett und Cholesterin so stark reduzieren, wie wir es vorschlagen, dann ist es so, als ob Ihr Körper sagen würde: "Hey, hier gibt´s ja gar nicht mehr so viel zusätzliches Fett und Cholesterin, das ich abbauen muss, also muss ich gar nicht mehr soviel HDL produzieren." Dann kann es sein, dass sich Ihr HDL reduziert, was aber nicht bedeutet, dass Sie sich nun in einem höheren Risiko befinden. In unserer Studie fielen die HDL-Werte ab und es haben sich gleichzeitig Rückbildungen der Arteriosklerose gezeigt. Um Ihren HDL-Wert zu erhöhen, müssen Sie mehr Sport treiben. Aber im Allgemeinen wird eher Ihr LDL-Wert sinken.
Frage: Es wird hier die ganze Zeit soviel von Diät gesprochen. Mich würde interessieren, was die unterstützenden Gruppen für eine Funktion haben.
Ornish: Nun, es handelt sich bei diesen Gruppen nicht um Psychotherapie. Es handelt sich um eine Gemeinschaft von Menschen, die in der Absicht zusammenkommen, über ihre Probleme zu reden, die sie gemeinsam haben. Es ist ein Ort, an dem sie sich sicher fühlen können, sich so zu zeigen, wie sie wirklich sind. Es gibt z.B. Menschen, die in die Gruppe kommen und zunächst behaupten, dass sie ganz toll sind, ein echter Gewinner-Typ; jedoch in Wirklichkeit sind sie bankrott. Für die meisten Patienten aus unserer Studie, die mit der Absicht teilnahmen, einfach nur ihre Arterien wieder zu öffnen, stellte sich der Gruppenprozess schließlich als der wichtigste Teil des gesamten Programms heraus. Denn hier fand eine wichtige Veränderung für die Patienten statt.
Frage: Warum verbieten Sie Koffein in Ihren Empfehlungen?
Ornish: Koffein hängt nicht so stark mit der Herzkrankheit zusammen, dafür aber mit Stress. Viele Menschen stellen fest, dass die Wirkung von Kaffee auf lange Sicht immer geringer wird und sie deshalb immer mehr Kaffee zu sich nehmen müssen. Kaffee kann auch ungleichmäßige Herzschläge verursachen und außerdem mehr gesättigte Fettsäuren in den Blutwerten verursachen.
Frage: Welche Rolle spielt Religion in Ihrem Programm?
Ornish: Eine der wichtigsten Aspekte in diesem Programm ist Spiritualität. Es wird sehr wichtig, in sich zu gehen und Weisheiten zu erlangen, die aus uns selbst, von innen kommen. Jede Religion kann dabei hilfreich sein.
Frage: Eine Frage zum Sport: Wie viel sollte man machen?
Ornish: Es ist wichtig, regelmäßig Sport zu treiben! Es ist sehr ungesund, sechs Tage lang gar nichts zu tun und dann am siebten Tag einen Marathon zu laufen. Wenn Sie es aber gewohnt sind, jeden Tag einen Marathon zu laufen und Ihr Belastungs-EKG in Ordnung ist, dann ist dagegen nichts zu sagen. Wichtig ist, dass die Ausdauer trainiert wird.
Ich bin sehr dankbar, die Möglichkeit gehabt zu haben, heute hier zu sprechen. Vielen Dank für Ihr Kommen! Auf Wiedersehen!
(Aufgenommen: Jürgen Busch, Übersetzung vom Amerikanischen ins Deutsche: Miriam Kröner, Redaktion: Lutz Hertel. Alle Rechte beim Deutschen Wellness Verband e. V.)