Alkohol und Wellness: Wie passt das zusammen?
Dass es bei Wellness um einen Lebensstil mit dem Ziel eines rundum gesunden Wohlbefindens geht, ist vielleicht immer noch nicht allen klar, ändert aber nichts an der Tatsache. Begibt man sich an Orte, die mit Wellness werben, wie zum Beispiel Spas und Hotels, dürfte man erwarten, dass gesundheitsgefährdende Angebote wie Alkohol dort nicht zu finden sind. Diese Erwartung wird in den meisten Fällen enttäuscht. Im Gegenteil. Anfang 2025 hat in der Schweiz ein neues Luxushotel eröffnet, das damit wirbt, neben einer 2.200 qm großen Wellnessoase den größten Weinkeller des Landes zu haben. Eine in Österreich ansässige Wine & Spa Hotelgruppe expandiert gerade (die Fachpresse kommentiert: "Wellness im Weinberg"). Und auch in Deutschland scheinen Wein und Wellness zumindest für die Gastgeber eine erfolgversprechende Marketing-Kombination zu sein. So lockt in Cochem ein "Well & Wine Hotel" mit Wellness- und Weinerlebnissen, ein anderes in Rheinhessen mit "vollmundigem Wellnessgenuss" oder die Kooperation der Weinhotels Deutschland mit "Entspannen und Genießen"..
Wer selbst dem Alkohol zugeneigt ist, ignoriert gerne die Fakten
Rotwein ist doch gut für das Herz, oder? Vielleicht in ganz bestimmten Fällen für das Herz. Und ansonsten? Eher überhaupt nicht. Fakten haben es allerdings schwer, gerade wenn sie mit geschäftlichen Interessen in Konflikt stehen. „Ein Tropfen in Ehren“, „Ein Glas Rotwein hat noch nie jemandem geschadet“: Solche Weisheiten, die den Alkoholkonsum, auch den eigenen, rechtfertigen, sind bekannt und als Schutzbehauptung beliebt. Schlagzeilen über bestätigende Studien in den Medien kommen dann natürlich auchgelegen, wenn zum Beispiel berichtet wird, dass moderater Weinkonsum das Risiko einer Herz-Kreislauferkrankung um selbst für das Autorenteam erstaunliche 50% senken könnte.
Zwar ist die Studie, die an einer sehr speziellen Gruppe von Menschen durchgeführt wurde, nicht geeignet, um die kausale Wirkung sicher zu bestätigen oder das Ergebnis auf die Bevölkerung zu verallgemeinern. Solche entscheidenden Einschränkungen werden in den Medien aber gerne nachrangig erwähnt oder gleich ganz unterschlagen. Und was vielleicht in Bezug auf Herz und Kreislauf einen gesundheitlichen Vorteil bieten könnte, ist für andere Organe wie Leber, Darm oder Gehirn hochgradig gefährlich bis tödlich. So wird der gesundheitliche Schaden des Alkohols auf das Zehnfache eines möglichen gesundheitlichen Vorteils geschätzt.
Alkohol dient nicht der Gesundheitsförderung
Der ärztliche Suchtexperte Prof. Dr. Michael Soyka kommentierte bereits vor einigen Jahren: „Wenn Alkohol ein Medikament wäre, würde es bei einer [Zulassungs-]Prüfung sicher durchfallen.“ Deshalb sollte auch kein Arzt auch nur irgendeinem seiner Patienten empfehlen, Alkohol aus gesundheitlichen Gründen zu konsumieren. Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Alkohol-Hochkonsumland. 2019 wurden weltweit durchschnittlich 5.5 Liter reiner Alkohol pro Person konsumiert. In Deutschland waren es 12,2 Liter pro Person. 2024 kam die Deutsche Gesellschaft für Ernährung nach Auswertung des aktuellen Stands der Wissenschaft zu dem Fazit: "Es gibt keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen unbedenklichen Konsum." Das erklärt auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits im Jahr 2023, Zitat: "Alkohol ist eine toxische, psychoaktive und süchtig machende Substanz und wurde vom Internationalen Krebsforschungszentrum schon vor Jahrzehnten als Karzinogen der Gruppe 1 eingestuft – das ist die höchste Risikogruppe, zu der auch Asbest, Strahlung und Tabak gehören. Alkoholkonsum ist für mindestens sieben Krebsarten verantwortlich, darunter die häufigsten Formen wie Brustkrebs bei Frauen und Darmkrebs." Nach Berechnung der WHO sterben täglich 2.200 Menschen allein in der WHO-Region Europa an den Folgen des Alkoholkonsums. 85% der Bevölkerung hat keinerlei Ahnung, dass alkoholische Getränke krebsauslösend sein können. Die DGE und die WHO empfehlen vor diesem Hintergrund völlig zurecht, auf alkoholische Getränke ganz zu verzichten.
Anfang Januar 2025 meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass Dr. Vivek Murthy, Chef der öffentlichen Gesundheitsdienste in den USA, die Etikettierung von Alkohol mit vergleichbar drastischen Warnhinweisen wie auf Zigarettenverpackungen fordert. Alkohol ist ein Zellgift und steht nicht nur mit Krebs, sondern insgesamt mehr als 200 Krankheiten in Verbindung. In Irland werden per Gesetz ab 2026 deutliche Warnhinweise in großer roter Schrift auf weißem Hintergrund und auf Seite der Flasche, auf der sich das Hauptetikett befindet, erscheinen. Ein aktueller Artikel vom 7. Februar 2025, erschienen im Wissenschaftsmagazin Journal of the American Medical Association, behandelt die Frage, warum diese Warnhinweise nicht schon längst verpflichtend sind und vermutet den mächtigen Einfluss der Alkohollobby. Im Februar 2025 hat auch die WHO die Empfehlung ausgesprochen, alkoholische Getränke im einem Warnhinweis vor dem Risiko einer Krebserkrankung durch den Genuss alkoholischer Getränke zu versehen. Ob diese warnenden Labels in den USA, in Europa und vielleicht auch hier in Deutschland kommen werden, ob sie an der etablierten und weithin akzeptierten Rolle des Alkohols in unserer gewachsenen Lebenskultur als soziales Bindeglied, Genussmittel und Seelentröster in der Not irgendetwas ändern würden, ist ungewiss.
Alkohol und Wellness? Das kann in Anbetracht der wissenschaftlich gesicherten Fakten keine sinnvolle und empfehlenswerte Kombination sein, wenn man es ehrlich mit Wellness meint. In der kommerziellen Spa & Wellness Branche beginnt man ganz vorsichtig, diese Inkompatibilität wahrzunehmen. So fragten am 21. Januar 2025 das britische Magazin für Gesundheit, Fitness und Wellness HCM sowie das Spa Business Magazin in einem Beitrag zum Thema Alkohol: "Should wellness providers rethink the serving of alcohol?" (Sollten Wellnessanbieter ihr Alkoholangebot überdenken?).
Die ARD hat eine spannende, äußerst informative TV-Dokumentation unter dem Titel "Dirty Little Secrets" über Alkohol, Gesundheit, Politik und den mächtigen Lobbyismus der Alkoholindustrie veröffentlicht, abrufbar bis 08.01.2027. Sehenswert.
Der deutsche Bestseller-Autor Bas Kast, der sich tief in gesundheitliche Themen einarbeitet und dazu wissenschaftsbasierte Ratgeber schreibt, hat aufgrund der neueren Erkenntnisse zu der gesundheitlichen Gefahr Alkohol das entsprechende Kapitel in seinem Besteller "Der Ernährungskompass" komplett neu geschrieben. Speziell zum Thema Alkohol hat er im März 2024 ein erhellendes YouTube-Video produziert, das wir ebenfalls empfehlen.