Wellness-Beiträge



Trendbericht zu den Schwerpunkten Reisen, Gesundheit/Wellness, Freizeit und Sport

(C-B-R Freizeit und Reisen)
Keine Frage: Die meisten Deutschen wollen auf drei Dinge nicht verzichten – Urlaub, Entspannung und Sport. So überrascht es kaum, dass die Freizeit- und Touristikbranche hierzulande optimistisch in die Zukunft blickt.

Klaus Laepple, Präsident des Deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalter-Verbands (DRV), brachte die Situation während der Internationalen Tourismus Börse in Berlin im März dieses Jahres auf den Punkt: „2004 haben die Reiseveranstalter die Trendwende geschafft. Und dieses Plus ist nachhaltig.“ Im vergangenen Jahr hätten die deutschen Reiseveranstalter ihren Umsatz um 5,2 Prozent auf gut 19 Milliarden Euro gesteigert, betonte er. Im Winter 2004/05 legten die Veranstalter um 3,5 Prozent zu. Nach Rückschlägen wie dem „11. September“ oder der SARS-Epidemie gab es bei den Buchungszahlen 2004 einen deutlichen Anstieg. Doch die deutschen Reiseveranstalter müssen wachsam bleiben, wollen sie die Veränderungen im Reiseverhalten der Kunden nicht verschlafen. Das ist eine Herausforderung, denn die Freizeit- und Touristikbranche erlebt seit geraumer Zeit massive Veränderungen, die gleich mehrere Gründe haben.

Forscher wie Dr. H. Jürgen Kagelmann, Tourismus-Psychologe an der Universität München, gehen davon aus, dass Ereignisse wie der Terroranschlag von New York nachhaltig zu einer Rückbesinnung auf „erdgebundene Freizeitaktivitäten“ in der Heimat geführt haben – etwa das Wandern in deutschen Gefilden. Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, Freizeitforscher vom BAT-Freizeitfoschungsinstitut in Hamburg, hält dem entgegen, dass sich der Tourismus nach jeder Krise stets schnell erholt. Sein Fazit: „Die Touristen haben ein chronisches Kurzzeitgedächtnis.“

Sicher ist hingegen, dass sich ein wesentlicher Megatrend weiter fortsetzen wird – der Wellness-Trend. Denn der Wunsch nach Entspannung und Erholung nimmt in dem Maße zu, in dem der berufliche Stress wächst. „Mit den Strukturveränderungen im Arbeitsmarkt, der Angst vor dem Verlust der Arbeit, fühlen sich Menschen immer stärker ausgepowert und gestresst“, sagt Dr. Peter Aderhold, Geschäftsführer der Kieler Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR). Sich-Erholen und -Verwöhnen sowie bewusste Gesundheitspflege werden zum wichtigen Ausgleich für den harten Alltag. Aderhold: „Damit werden in Zukunft auch die gesundheitsorientierten Urlaubsformen überproportional zunehmen.“ Darüber hinaus trägt in Mitteleuropa die demografische Entwicklung zwangsläufig zum Wachstum des Wellness-Marktes bei – im Jahr 2020 wird es beispielsweise doppelt so viele 50-Jährige wie heute geben. Und die werden, so die Weissagungen der Analysten, sportlicher, gesünder und aktiver als ihre Altersgenossen der vergangenen Jahrzehnte sein. Der Anspruch an körperbezogene, erholsame Freizeitbeschäftigungen wird steigen, sowohl in Sachen Qualität als auch was das Angebot betrifft. Die Tendenz deutet weg von leistungsbezogenen Sportarten und Wettkampfgedanken zu sanfteren Freizeitbeschäftigungen wie Radeln, Nordic-Walking oder auch Golfen. Darüber hinaus nimmt die Bereitschaft zu, für den „persönlichen TÜV“, so Rolf Schrader, Geschäftsführer des Deutschen Seminars für Tourismus (DSFT) Berlin, „mehr Geld auszugeben“. Zum einen, weil Gesundheit und Fitness das Image aufpolieren und Erfolg signalisieren. Zum anderen, weil die persönliche Gesundheitsvorsorge angesichts schrumpfender Krankenkassen-Leistungen zukünftig an Bedeutung gewinnt. Nach Angaben des BAT-Freizeitforschungsinstituts gingen im Jahr 2004 bereits 29 Prozent der Bundesbürger im Urlaub auf die Suche nach Wellness-Oasen, mit dem Wunsch, gezielt und systematisch etwas fürs Wohlbefinden zu tun – 2000 waren es nur 20 Prozent.

Die neue Lust am Reisen

Doch auch ohne Gesundheitsboom reisen die Deutschen wieder gern. Laut FUR-Reiseanalyse 2005 belegen Urlaubsreisen in der Skala der „Konsumgüter“, „bei denen den Deutschen das Sparen am schwersten fällt“, den dritten Platz – deutlich vor Auto, Kleidung und Wohnen. Allerdings hat sich das Reiseverhalten gewandelt. So hat die Reisedauer in den vergangen 20 Jahren deutlich abgenommen. Im Jahr 1980 verbrachten die Menschen im Schnitt 18 Tage in der Fremde, im vergangenen Jahr waren es knapp 13 Tage. Dazu das BAT-Freizeitinstitut in seiner Tourismusanalyse 2005: „Die Talsohle im Tourismus ist sicher überwunden. Aber das Urlaubsbudget wird immer knapper. So praktizieren die Deutschen weiter eine neue Lebenskunst: Sie retten die Urlaubsphilosophie von den schönsten Tagen des Jahres, indem sie einfach die Reisedauer verkürzen.“

Zur kurzen Reisedauer trägt insbesondere auch die veränderte Reisemotivation bei. Nach den beliebten All-Inclusive-Reisen erfreuen sich insbesondere Städtereisen wachsender Beliebtheit, die von den Reiseveranstaltern mehr und mehr mit besonderen Ereignissen – Pop-Konzerten, Opern- oder großen Theater-Aufführungen – verknüpft werden. Hier sieht Prof. Peter Zellmann, Leiter des Wiener Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung, den einzigen wirklich neuen Tourismustrend. „Eine allgemeine Trendverschiebung, wie sie unter anderem in den Medien vorgegaukelt wird, findet in dieser Form tatsächlich nicht statt – denn ein Kultururlauber bleibt ein Kultururlauber, ein Strandurlauber bleibt Strandurlauber.“ Einzige Ausnahme: die Städtereisen. „Hier nimmt das Interesse tatsächlich zu“, sagt Zellmann. Statt einer 14-Tage-Reise besuchen die Mitteleuropäer lieber mehrere Städte – nacheinander oder eben mehrmals im Jahr in Form eines Kurzurlaubs. Auch die Wellness-Welle trägt zur Verkürzung der Urlaubszeit bei – so ersetzen zwei bis drei verlängerte Wellness-Wochenenden inzwischen häufiger mal den großen Jahresurlaub. So ergab die FUR-Analyse, dass Städte-Trips auf der Skala der beliebtesten Urlaubsreisen den zweiten Platz einnehmen. Auf die Frage, welche Reiseform innerhalb der nächsten drei Jahre in Frage käme, belegen der All-Inclusive-Urlaub mit 44 Prozent Platz 1 und Städtereisen mit 31.

Auch die Billigflieger tragen ihren Teil zur Verkürzung der Reisezeit bei, immerhin machen sie den Kurztrip für Zwischendurch für eine breite Bevölkerungsschicht erschwinglich. Nach Ansicht der Hamburger Freizeitforscher führen die Billigflieger gar zu einer Verschiebung der Marktanteile – weg vom Pauschal-Reisenden zum Individualisten. Ihr Urteil: „Der Pauschaltourismus befindet sich im Abwärtstrend.“ Nicht einmal jeder dritte Bundesbürger (29 Prozent) habe bei seiner letzten Urlaubsreise im Jahr 2004 eine organisierte Pauschalreise mit Transport und Unterkunft bei einem Reiseveranstalter gebucht. Im Jahr 2000 waren es 34 Prozent. Weiter heißt es in der BAT-Tourismusanalyse: „Vor allem auf den touristischen Rennstrecken ans Mittelmeer können Billigflieger zur Bedrohung von Reiseveranstaltern werden, wenn sie sich selbst zu Reiseveranstaltern machen und ihr Kerngeschäft durch Zusatzangebote (Hotelbuchung, Mietwagen, Eintrittskarten für Events vor Ort u.a.) erweitern.“

Wachsender Beliebtheit erfreuen sich seit einigen Jahren auch Hochseekreuzfahrten. Zwar ist der Anteil der Urlauber, die ihre Ferien auf dem Meer verbringen, im Vergleich zu der großen Menge an Landurlaubern vergleichsweise klein, die Zuwächse aber sind beträchtlich. So verzeichnete die Branche für 2004 im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzplus von 6,3 Prozent. Kreuzfahrten haben ein völlig neues Image bekommen und gelten anders als noch vor Jahren vor allem bei jungen Leuten zunehmend als „trendy“. Als besonderer Anreiz wird Spaß an Bord mit ausgefallenen Landausflügen geboten. Jürgen Kagelmann von der Universität München warnt allerdings davor, deshalb sogleich einen Trend herbeizuschreiben: „Selbst wenn im Fernsehen vier oder fünf Reportagen vom Leben an Bord gezeigt werden, ist das noch lange kein Trend.“

Beinahe euphorisch reagierte die einheimische Reisebranche auf das Wiedererstarken der deutschen Reiselust. So heißt es in der FUR-Analyse gar: „Über 45 Mio. Auslandsurlaube der Deutschen im Jahr 2004 bedeuten einen neuen Rekord. Innerhalb der ausländischen Reisegebiete setzt sich der Entwicklungstrend der letzten Jahre fort: Die beliebteste Zielregion der Deutschen, das europäische Mittelmeer, stagniert bei gut 26%. Der übrige Mittelmeerraum, insbesondere die Türkei, gewinnt kontinuierlich dazu. ,Traditionelle’ Ziele in Westeuropa verlieren leicht an Marktanteilen, während ,neue’ Ziele im Osten weiter wachsen. Skandinavien bleibt auf niedrigem Niveau ein ,Geheimtipp’. Fernreiseziele konnten erstmals seit dem Jahr 2000 wieder Zuwächse verzeichnen.“ Nach wie vor hält Spanien mit 13,6 Prozent aller Urlaubsreisenden den Spitzenplatz der liebsten Ferienziele, Italien, Österreich und die Türkei folgen auf den Plätzen 2 bis 4.

Ungebrochen ist auch die Liebe der Deutschen zum Urlaub im eigenen Land. So ist Deutschland mit einem Marktanteil von 31 Prozent auch 2004 das bedeutendste Urlaubsreiseziel der Deutschen gewesen. Dabei ist zu beachten, dass sich dieser Wert nur auf die „reisenden Deutschen“ bezieht – etwa 57 Prozent der Gesamtbevölkerung. 43 Prozent verreisen überhaupt nicht. Demzufolge verbrachten 2004 rund 12 Millionen Bundesbürger ihre Ferien in deutschen Urlaubsdestinationen. Das sind zwar etwas weniger als im „Jahrhundertsommer-Jahr“ 2003, aber mehr als 2001 oder 2002. Nach Einschätzung von Jürgen Kagelmann dürfte das auch so bleiben. „Es gibt starke qualitative Belege dafür, dass es mit den Terroranschlägen vom 11. September einen großen Schub in Richtung Heimat gab. Wandern und Radfahren in einem psychologisch sicheren Raum war plötzlich gefragt.“ Und diese Tendenz halte an. „Eine Zeit lang waren Radeln und Laufen völlig out – das ist inzwischen keineswegs mehr so“, sagt Kagelmann. Weitere Gründe für das zunehmende Interesse am Wanderurlaub im eigenen Lande sieht der Forscher wiederum zum einen in der demografischen Entwicklung – „viele Menschen erreichen in den nächsten Jahren das psychologische Wander-Alter“ – und zum anderen in der neuen Wellness-Welle. So ist etwa Nordic-Walking am Ostseestrand oder in den Bergen inzwischen für viele ein angemessener Urlaubsinhalt. „Und“, fügt Kagelmann hinzu, „eine Betätigung, die sich jeder leisten kann.“

Tatsächlich sind die Berge nach wie vor das beliebteste Ziel der Deutschen. So ist Bayern mit 6,7 Prozent aller Reisenden (FUR) die Nummer 1. Inzwischen aber hat sich Mecklenburg-Vorpommern auf Platz 2 der Hitliste geschoben (5,3 Prozent) – dank des Ostseestrands und eines intensiven Ausbaus der Wellness-Angebote. Mit 4,3 Prozent liegt Schleswig-Holstein auf Platz 3, Niedersachsen folgt mit 3,6 Prozent.

Auch Richard Adam ist davon überzeugt, dass Tsunami, Terroranschläge oder die Angst vor Überfällen und Diebstahl zur Wiederentdeckung des Heimaturlaubs geführt haben. „Der Urlaub daheim mag unter Umständen ein paar Euro mehr kosten, aber er vermittelt das Gefühl von Sicherheit“, sagt der Geschäftsführer der Bayern Tourismus Marketing GmbH in München. „Unsere Befragungen und Workshops haben ergeben, dass tatsächlich der Angstgedanke eine Rolle spielt.“ Ferner beobachtet die Münchener Tourismus-Zentrale, dass zunehmend Menschen jenseits der 40 nach Bayern reisen – „und die haben gewisse Ansprüche an Komfort, Sauberkeit und Versorgung, die die deutschen Herbergen in jedem Falle erfüllen.“

Rund 100 Millionen Übernachtungen verbucht Deutschlands südlichstes Bundesland jährlich. 80 Prozent der Gäste kommen aus Deutschland und gar ein Viertel der Urlauber stammt direkt aus Bayern.  Tatsächlich ist der internationale Trend zum Kurzurlaub auch zwischen Aschaffenburg und Zugspitze spürbar – die durchschnittliche Reisedauer beträgt nur drei Tage. Hier schlagen nach Einschätzung von Adam die Kurzausflügler zu Buche, die im Winter gern für ein verlängertes Wochenende zum Skifahren oder im Sommer zum Baden und Wandern aufbrechen. Adam ist optimistisch, dass Bayern seine Spitzenposition unter den deutschen Bundesländern auch in den kommenden Jahren halten wird. Wir verzeichnen in den letzten Jahren ein jährliches Wachstum von rund fünf Prozent. Nicht zuletzt ein Erfolg der Entwicklung und des Aufbaus verschiedener Urlaubsmarken, mit denen zugleich einheitliche Qualitätsstandards eingeführt werden – wie „Gipfeltreffen“ für Geschäftsreisende oder Kinderland Bayern“ und „WellVital in Bayern“ für Familien und Wellnessurlauber.

Adam ist davon überzeugt, dass Regionen, wollen sie erfolgreich sein, mit derartigen Konzepten an die Öffentlichkeit gehen müssen. „Es macht wenig Sinn auf einer Messe jede noch so kleine Gemeinde mit einem eigenen Flyer vorzustellen.“ Vielmehr sollten sich die Regionen erlebbar machen – mit Themenständen, die Atmosphäre verbreiten und auf die Gegend einstimmen, weniger mit Prospekten oder Postern. Zu Beginn des Jahres 2002 startete die Marke „WellVital in Bayern“ – mit dem Ziel Qualitätsmaßstäbe in Sachen Wellness einzuführen. Die Marketing GmbH stellte zusammen mit dem Bayerischen Heilbäderverband und dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband einen Katalog von Mindestanforderungen auf, um den Urlaubern einen angemessenen Wellness-Standard zu bieten. „Das reicht vom obligatorischen Bademantel bis zur Forderung, dass die Wellness-Bereiche von Tageslicht durchflutet sein müssen“, sagt Adam. Die Sauna im muffigen Keller ist passé. „Der Wellness-Boom hat uns einen Trend beschert, wie wir ihn nicht besser hätten erfinden können – leichte Bewegung an der frischen Luft, dafür ist Bayern mit seinen Bergen die ideale Umgebung.“ Letztlich, resümiert Adam, gibt es derzeit eine Strömung zurück zur klassischen „Sommerfrische“ – freilich in einem anderen Gewand und mit „modernem Wording“. Tatsächlich reist rund ein Drittel der Bayern-Urlauber für einen Wellness-Aufenthalt ins südlichste Bundesland.

Wellness – die Einheit von Körper und Geist?

Dass der Wellness-Boom keine Eintagsfliege, sondern von Dauer ist, darin sind sich die Experten einig. Zugleich betonen sie, dass unter dem Begriff Wellness derzeit vieles vermarktet wird, das den Namen nicht verdient. Jürgen Kagelmann: „Das wird bis zur Wellness-Marmelade getrieben.“ Auch der österreichische Trendforscher Peter Zellmann differenziert sehr genau, was Wellness ist und was nicht: „Es geht hier keineswegs nur um Fitness, Spaßbäder oder Sauna. In diesem Bereich ist der Markt bereits gesättigt. Versteht man unter Wellness aber die Einheit von Körper, Geist und Seele, ein ganz neues Lebensgefühl, das alle Bereiche wie Ernährung und gesunde Lebensführung mit einschließt, so stehen wir erst am Beginn einer großen Entwicklung, die viele Branchen erfassen wird.“ Andere Forscher stimmen Zellmann zu. Die Zukunftsstudie „Horizons2020“ der tns-Infratest in München zeichnet für das Jahr 2020 ein durchaus ähnliches ganzheitliches, „holistisches“, Gesundheitsverständnis. Gesundheit wird demnach in 15 Jahren nicht mehr nur die „Abwesenheit von Krankheit“ sein, sondern hat eine weit gefasste Bedeutung – „Gesundheit wird von den Menschen als Konsequenz eines gesundheitsfördernden Lebensstils empfunden“. Die Teilnahme an Wellness-Gruppen oder einem Gesundheitskursus wird 2020 eine Selbstverständlichkeit sein und – so das Szenario – von den Krankenkassen durch Bonusprogramme gefördert.

Wirtschaftswissenschaftler sehen im Gesundheitssektor gar den stärksten Wirtschafts-Motor der Zukunft, den so genannten „6. Kondratieff-Zyklus“. Das Modell der Kondratieff-Zyklen besagt, dass die Konjunktur von mehrere Jahrezehnte anhaltenden Zyklen überlagert und angetrieben wird. Motor des ersten Kondratieff-Zyklus von 1800 bis 1850 waren demnach die Dampfmaschine sowie die Textilindustrie. Der vorerst letzte Zyklus wurde durch die Informationstechnik in Schwung gebracht und wird derzeit durch den Gesundheitsmarkt abgelöst. Kurz: Die Gesundheit wird für längere Zeit ein Thema von großer ökonomischer Bedeutung sein.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Umsätze des Wellness-Marktes in Deutschland ständig wachsen. Nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsunternehmens Global Insight (Deutschland) GmbH  betrug der Umsatz 1999 54,3 Milliarden Euro. Für 2005 wird bereits mit Umsätzen von 72,9 Milliarden Euro gerechnet. Der Begriff Wellness verkauft sich gut. So gut, dass der verbrauchernahe Deutsche Wellness-Verband in Düsseldorf bereits vor geraumer Zeit vor dem „Well-Nepp“ gewarnt hat. „Es kann nicht alles Wellness sein“, betont Verbands-Chef Lutz Hertel. „Weil dieser Eindruck der Willkür jedoch entstanden ist, wenden sich nun Verbraucher und Meinungsmacher ab.“ Wie Anna-Maria Muck vom Bayern Marketing verlangt Hertel deshalb einheitliche Qualitätsstandards. Eine erste wichtige Forderung: „Es sollten nur solche Produkte und Dienste mit Wellness in Verbindung gebracht werden, die in angemessener Zeit das Wohlbefinden spürbar verbessern und zugleich gesundheitlich nachweisbar positive Auswirkungen haben.“ Eine Überprüfung dieser Eigenschaften entlarve in der Regel sehr schnell die Mogelpackungen.

Inzwischen hat der Verband seine Empfehlung einer Qualitätszertifizierung im Wellness-Tourismus umgesetzt. Auf der Grundlage gesundheitswissenschaftlicher Kriterien wurde ein umfassendes, standardisiertes Zertifizierungsverfahren entwickelt, mit dem professionelle Tester, vom Verband speziell für ihre Aufgabe geschult, durch anonyme Betriebsbesuche die Qualität der Leistung überprüfen. Hotelbetriebe werden zum Beispiel nicht nur hinsichtlich ihrer Ausstattung und ihrer Wohlfühl-Atmosphäre beurteilt, sondern vor allem auf die Qualifikation und Qualität der Dienstleister und der von ihnen erbrachten Dienstleistungen hin begutachtet. Das Bundesgesundheitsministerium hat das neue Qualitäts-Siegel des Deutschen Wellnes-Verbandes bereits begrüßt.

Auch der Deutsche Heilbäderverband hat den Bedarf der Menschen an gesunder Entspannung erkannt – und die Bereitschaft der Kunden, für die Gesundheit eigenes Geld auszugeben. Neben der klassischen Kur bieten die dem Verband angeschlossenen Heilbäder seit geraumer Zeit unter dem Motto „Wellness im Kurort“ „verbriefte Qualität“. Dazu Bodo K. Scholz, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Heilbäderverbands: „Schließlich erwartet der Selbstzahler, der sein gesundheitsbewusstes und präventiv orientiertes Anliegen ernst und in die eigene Hand nimmt, zu Recht die beste Qualität für sein Geld.“

Derzeit schwappt aus den USA eine neue Form der Wellness nach Europa – die „Medical Wellness“. Grundsätzlich definiert „Medical Wellness“ eine Verknüpfung von touristischen und medizinisch-therapeutischen Wellness-Leistungen. Dabei geht es darum, dass die medizinischen Leistungen als Basis oder Ergänzung zu Wellness-Angeboten auf einer seriösen Basis erbracht werden. Der Begriff grenzt damit Leistungen und Produkte aus, die sich nur im Bereich Wellness oder Tourismus ohne medizinischen Aspekt definieren. Für diese Nische werden derzeit Umsatz-Zuwächse von bis zu 80 Prozent bis zum Jahr 2010 prognostiziert. In den USA bieten Hotels bereits seit längerer Zeit eine solche Verknüpfung von ärztlicher Betreuung und Wellness-Entspannung. Seit Kurzem hält Medical Wellness auch in Deutschland Einzug. Peter Zellmann sieht das durchaus kritisch: „Man sollte die Freizeit nicht pathologisieren. Verknüpft man Wellness mit dem erhobenen Zeigefinger des Arztes, nimmt man den Leuten letztlich die entscheidende Freude.“

Jürgen Kagelmann sieht noch einen weiteren Mini-Trend – die Day-Spas. Derartige Wellness-Center bieten Entspannung und Verwöhnen für wenige Stunden an – etwa am Feierabend. „Das werden sich allerdings die wenigsten leisten können“, sagt der Wissenschaftler. „Grundsätzlich sehe ich beim Thema Wellness einen 2-Sparten-Markt – die Luxus-Angebote und das, was sich jeder leisten kann – das Wandern etwa.“
 
Von wankelmütigen Sportlern und ungezwungenem Freizeitspaß

Und das hat derzeit Hochkonjunktur – zumeist in Form von Nordic Walking. Nach Aussage von Peter Zellmann „ist bei den Trendsportarten Tradition in“. Am beliebtesten ist – seit Jahren unangefochten – das Radfahren, gefolgt von Nordic Walking und Wandern. Erst danach folgen Laufen und Schwimmen. „Alle anderen Sportarten haben eine ,Nie-Ausübe-Quote’ von mindestens 80 Prozent – ganz gleich ob Snowboarden oder Golfen.“ Soll heißen: Derartige Freizeitaktivitäten kommen für 80 Prozent der Bevölkerung überhaupt nicht in Frage. Zellmann warnt deshalb vor herbeigeschriebenen Trends. „Zwar hat sich beispielsweise der Anteil der Golfer an der Gesamtbevölkerung in der letzten Zeit verdoppelt – aber in Zahlen entspricht das gerade mal einem Wachstum von 0,8 Prozent auf 1,6 Prozent.“ Andererseits, räumt der Forscher ein, ist der Golfsport in Deutschland inzwischen beinahe zu einer Millionen-Bewegung avanciert. So meldete der Deutsche Golf Verband (DGV) im Februar dieses Jahres einen neuen Mitglieder-Rekord – immerhin sind mehr als 480.000 Golfspieler Mitglied in einem deutschen Golfclub. Das sind rund 26.000 Menschen mehr als noch im Vorjahr. „Entgegen dem allgemeinen wirtschaftlichen Trend vergrößerte sich der Deutsche Golf Verband um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, frohlockte der DGV – und weiter: „Keine andere in Deutschland ausgeübte Sportart hat mehr Zulauf als Golf.“ Im Ranking der Landesverbände knackte zwar Nordrhein-Westfalen die 100.000er Marke, aber Bayern hat mit 108.971 nach wie vor die meisten Golfer.

Dennoch: Wenn es derzeit überhaupt einen echten Trend gibt, sagt Zellmann, dann ist es die Strömung weg vom Breitensport, dem wettkampforientierten Vereinssport, hin zum ungebundenen Freizeitsport – etwa den derzeit beliebtesten „Outdoor“-Sportarten, dem „Skaten“ oder eben dem „Radeln“. Zellmann gibt zu bedenken, dass auch das „Ausprobieren“ einen großen Teil der sportlichen Freizeitaktivitäten ausmacht. Zuwächse bei der einen Sportart bedeuteten somit zugleich Verluste bei einer anderen. Zellmanns Resümee: „Weniger als die Hälfte der Freizeitsportler bleibt einer Sportart länger als ein Jahr treu.“ Für die Anbieter sportlicher Freizeitausrüstung hat dieser Wankelmut den Vorteil, dass es stets kauffreudige Kunden gibt.

Wie Zellmann auch sieht Prof. Dr. Volker Rittner, Leiter des Instituts für Sportsoziologie an der Deutschen Sporthochschule in Köln, eine klare Wandlung des Sports vom Vereinssport zur „köperbezogenen Individualisierung“. Demnach finden bis zu 70 Prozent aller sportlichen Aktivitäten unorganisiert statt. Längst hat der Wettkampf-Gedanke an Bedeutung verloren – Gesundheit, Fitness und Spaß sind die wichtigsten Motive. Waren früher der Vergleich körperlicher Stärke und das soziale Umfeld des Vereins entscheidend, so ist es heute zunehmend das Bedürfnis nach subjektiver Selbsterfahrung – der Wunsch, sich selbst als attraktiv zu erleben. Dazu gehören freilich die entsprechende Ausrüstung und das „passende Outfit“. „Selbst Aktivitäten, die frei sind wie die Luft und keine Ausrüstung voraussetzen, bedürfen somit einer Stilisierung“, sagt Rittner – durch passende Bekleidung oder zum Beispiel den Nordic-Walking-Stab. Rittner sieht das durchaus positiv: „Diese Stilisierung ist eine wirklich gesunde Form der Selbstüberzeugung und -überredung.“ Soll heißen: Wer einen schicken Laufschuh im Schrank stehen hat, läuft eher mal eine sportliche Runde.

Nach Ansicht von Rittner sind Sport und Freizeitaktivitäten, wie er es ausdrückt, zunehmend „lebensstil-dienlich“. Es geht nicht nur um Ertüchtigung, sondern auch um Stilfindung und -darstellung. Der Jugendliche signalisiert mit seinem Skateboard die Zugehörigkeit zu seiner „Peergroup“, der Golfer strahlt Prestige aus – er gönnt sich den Luxus, in der Stressgesellschaft Zeit für Muße zu haben. Für die Tourismus-Anbieter und Freizeit-Dienstleister bestehe die Herausforderung zukünftig vor allem darin, das „unruhige Element Lebensstil“ zu erkennen und das Angebot nach diesen Bedürfnissen auszurichten. „Die Anbieter sind gut beraten, wenn sie ihr Programm nicht wie bisher mit Sportarten vollstopfen, sondern wenn sie die Logik der verschiedenen Lebensstile begreifen und ihr Sportprogramm danach ausrichten.“ Mehr noch: Der Animateur der Zukunft wandelt sich demnach vom Sportlehrer zum Lebensstilberater. Rittner geht davon aus, dass die Sportartikel-Hersteller Mitte der 1990er Jahre vor allem deshalb in der Krise steckten, weil ihre Produkte nicht den Lebensstil der Käufer – insbesondere der Jugendlichen – widerspiegelten. Das habe sich inzwischen grundlegend geändert.

Einen besonderen Lebensstil führen zweifellos vor allem Extremsportler – River-Rafter, Freeclimber oder Paraglider. Auch ihre Zahl steigt seit Jahren. Freizeitforscher Horts W. Opaschowski hat ermittelt, dass ihre wichtigsten Motivationen erstens „Einfach Spaß haben“, zweitens „Flucht vor der Langeweile“ und drittens „das Erleben des ultimativen Kicks“ sind. Der Sportpsychologe Prof. Dr. Jens Kleinert vom Institut für Sportwissenschaften der Universität Würzburg sieht eine ähnliche Tendenz: „Neben der Persönlichkeitsseite ist davon auszugehen, dass die Suche nach dem Freizeitrisiko in hohem Maße abhängig von der eigenen Alltags- und Berufsaktivität ist. Grundsätzlich versucht der Mensch einen Gegenpol (im Sinne der Erholung) zum alltäglichen Dasein aufzubauen, der ihm hilft, Alltagsbeanspruchungen abzubauen und sich so optimal zu erholen. Dieser Gegenpol ist sowohl körperlich als auch psychisch. Das heißt, nicht allein die Persönlichkeit, sondern auch die situative Vorbelastung entscheidet über mein Freizeitverhalten.“ Und weiter: „Der Trend in veränderten Freizeitsportaktivitäten folgt dem Trend veränderter Arbeits- und Alltagsbedingungen. Wenn Arbeit immer weniger körperlich wird, dann wird Freizeit umso mehr körperlich. Wenn Alltag immer sicherer wird, dann sucht der Mensch im Sport das Restrisiko.“

Doch Freizeit ist nicht allein Sport. Das BAT-Freizeitforschungsinstitut zum Beispiel analysiert seit langer Zeit jährlich das Freizeitverhalten von 3000 Deutschen. Die stets gleiche Frage lautet: „Es gibt ja eine Vielzahl von Dingen, die man in seiner Freizeit tun kann. Sagen Sie mir bitte, wie häufig Sie die folgenden Aktivitäten ausüben.“ Zu den Spitzenreitern bei den täglichen Freizeitbeschäftigungen gehörte im vergangen Jahr in allen Altersgruppen „sich mit der Familie beschäftigen“. 16,2 Prozent der Bürger geben an, „mehrmals pro Woche Rad zu fahren“, 11,4 Prozent gar täglich. 13,8 Prozent treiben mehrmals pro Woche Sport, 14,3 Prozent etwa einmal pro Woche. 13,4 Prozent gehen mehrmals pro Woche wandern oder spazieren, 13,4 mehrmals pro Woche und 11,0 Prozent immerhin einmal pro Woche. Zellmann gibt zu bedenken, dass gerade das Radfahren eine augenscheinlich derart große Popularität genießt, weil es eben auch nebenbei, bei der Fahrt zum Einkaufsladen oder ins Büro, betrieben werden kann. Und noch ein Element gewinnt zunehmend an Bedeutung – das Wasser. Dazu Jürgen Kagelmann: „Die Beschäftigung mit dem Wasser in jeglicher Form ist ausgesprochen angesagt – ganz gleich ob beim Schwimmen oder Paddeln.“ Auch hier spielt wiederum der Wellness-Gedanke eine treibende Rolle – denn am Wasser kann man auf verschiedene Art und Weise Entspannung, Erholung und Spaß finden.


 

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