Wellness-Beiträge



Die Gesundheitsgesellschaft zwischen Markt und Staat

von Ilona Kickbusch, Yale University
Vortrag, Technische Universität Berlin 24. Juni 2003
Fachkonferenz: Die Berliner Gesundheitswirtschaft als Wachstumsmotor

A. Der Kontext: Die Gesundheitsgesellschaft

The demand for health and health care is insatiable.

Die Diskussion über "Berlin als Gesundheitsmetropole" kommt nicht zufällig zu diesem Zeitpunkt, sie ist Ausdruck einer tiefgreifenden Umorientierung, die ich mit dem Begriff der Gesundheitsgesellschaft fasse. Was will dieser Begriff umschreiben? Wir leben in einer Gesellschaft in der Gesundheit in drei zentralen Dimensionen expandiert:
  • Als gesellschaftlicher and individueller Wert
  • Als Markt für Informationen, Produkte und Dienstleistungen
  • Als Faktor im politischen Diskurs über Prioritätensetzung, Solidarität und Bürgerrechte.
Die gesellschaftliche Sicht auf Gesundheit verändert sich, Gesundheit durchdringt einen zunehmend größeren Anteil unserer Lebenswelt, die Gesundheitswirtschaft drängt nach Wachstum, aber die Politik hinkt noch hintendrein. Der Diskurs der neunziger Jahre, der auf eine zunehmende Medikalisierung mit Kostenreduzierung reagierte, ist zum Scheitern verurteilt – nicht zuletzt weil die soziale, demographische und technologische Entwicklung in genau die entgegengesetzte Richtung weist. Auf neue Weise überlagern sich Diskurse aus sehr unterschiedlichen Gesundheitsbereichen von der Gesundheitsförderung, über AIDS-Prävention, Verhaltensmodifikation, Wellness, Schönheit, Biotechnologie und Genetik. Ihnen gemein ist, dass Gesundheit immer weniger als Schicksal sondern als "gemacht" gefasst wird. Das bedeutet, dass sowohl gesellschaftlich-politisches  wie soziales-individuelles Handeln gefordert und eingeklagt werden konnen. Gesundheit wird ebenso zur Norm wie sie gleichzeitig dazu beiträgt die "Abweichung Krankheit" zu normalisieren, wie durch die AIDS und Brustkrebs Schleifchen symbolisiert. Gesundheit wird zur Ware und wird gleichzeitig einklagbar, wie durch die Prozesse gegen die Tabakindustrie und neuerdings die Fast Food Ketten in den USA. Die Abgrenzungen zwischen gesund/krank/schön sind immer schwieriger zu ziehen, ebenso wie zwischen Medikamenten/Nahrungsmitteln/Drogen. Ein neuer Begriff in den USA ist cosmetic pychopharmacology – er umschreibt die zunehmende Akzeptanz, persönliches Wohlbefinden im Alltag über Medikamente sicherzustellen. Die Erlebnis- und die Gesundheitsgesellschaft überschneiden sich in einer Reihe von Bereichen, besonders dort, wo das Krankheits"erlebnis" einen eignene Stellenwert erhält.

Die Entwicklung zur Gesundheitsgesellschaft ist Teil einer generellen sozialen Entwicklung und eines Wertewandels (Inglehardt 2002) die sich kurz mit den folgenden Bestimmungspunkten umschreiben läßt:
  • Individualierung
  • Differenzierung
  • Wertschätzung von Autonomie und Eigenverantwortung
  • Subjektives Wohlbefinden (holistisch)
  • Hoher Erwartungshorizont
  • Lebensqualität Sinnstiftung
Die soziale Entwicklung hat ihr komplementäres Gesicht in der epidemiologischen Entwicklung, auch hier seien nur einige dieser Dimensionen angesprochen:
  • Alterung der Gesellschaft
  • Zunahme der "gesunden" Lebenserwartung (healthy life expectancy)
  • Zunahme der 80+
  • Zunahme chronischer Krankheiten
  • Ev Wieder/Neuauftreten der Infektionskrankheiten
Der Begriff der Gesundheitsgesellschaft umschreibt, dass wir in eine radikal neue Ära der Gesundheitspolitik eintreten. Drei große Paradigmen der Gesundheitsgesellschaft werden den Diskurs bestimmen und auf unterschiedliche Weise interagieren:
  • Gesundheit als Empowerment und Emanzipation
  • Gesundheit als attraktives käufliches Produkt
  • Gesundheit als ultimativer Wert.
Die Umrisse einer solchen Gesellschaft zeichnen sich in den USA schon heute ab, und ich werde deshalb eine Reihe meiner Beispiele und Zahlen von dort beziehen. Ich hoffe, dass weitere Analysen helfen werden, abzuschätzen, welche dieser Entwicklungen mit welcher Geschwindigkeit auch auf Deutschland und Europa zukommen – bzw. auf welche Weise Deutschland und Europa  proaktiv eine Gesundheitsgesellschaft europäischer Prägung als internationales Modell bewusst gestalten. "Berlin als Gesundheitsmetropole"   könnte hier richtungsweisend sein.

B. Healthy City: die erste Dimension einer Gesundheitsmetropole

"Berlin als Gesundheitsmetropole" umfasst sehr viel mehr als ursprünglich in dem "Healthy City" Konzept der WHO angeregt wurde, zugleich aber ist ein Healthy City Ansatz grundlegend für andere Strategien. Dieses Konzept setzte Mitte der achtziger Jahre, zu einer Zeit, als die Perspektive des Gesundheitswesen verengt nur auf die Gesundheitsversorgung und die individuallen Risikoverhalten ausgerichtet war, bewusst an der Bedeutung von Gesundheitsdeterminanten an. Die Hauptfrage in der Folge der Ottawa Charter für Gesundheitsförderung war: wo und wie wird Gesundheit hergestellt und welche Investitionen schaffen eine größere Gesundheitserwartung und Lebensqualität für die Bürger. Eine Healthy City Strategie betonte, dass man auf städtischer Ebene bewusst für ein "Mehr" an Gesundheit planen konnte (city health plans) und dass die Schaffung von "mehr" Gesundheit viele Akteure im städtischen Raum einbinden müsse. Diese Gesundheits"stakeholders" umfassten nicht nur andere Bereiche städtischer Verwaltung und Politik (wie Stadtplanung, Schulwesen, Umweltbereich) sondern auch sogenannte Settings im privaten wie im öffentlichen Raum: insbesondere Schule und Betriebe und natürlich andere Handlungsträger im Gesundheitsbereich wie Versicherungsträger und Krankenkassen.  Vor allem aber bedeutete die Umsetzung eines Healthy City Konzepts die Einbindung der Bürger in die Diskussion und die Entscheidungsfindung.

Diese konzeptionelle Ausrichtung ist weiterhin gültig und wird in einer großen Anzahl von Städten in der ganzen Welt seit nunmehr fast 20 Jahren auf verschiedene Weise umgesetzt. In den USA hat diese Strategie sogar im Privatsektor Fuß gefasst, durch die Umsetztung eines sogenannten "Wellcity" Konzepts durch die Firma WELLCOA. Eine Stadt kann den Titel "Wellcity" tragen, wenn mindesten 20% der Betriebe in der Stadt ausgewiesene Wellness-Programme für die Mitarbeiter eingeführt haben.

Bedeutsam für die Diskussion auf dieser Tagung ist, dass Stadtpolitik und Stadtverwaltung – der öffentliche Sektor also – weiterhin aufgerufen sind, sich eine solche Strategie zu eigen zu machen und sehr viel systematischer als bisher die Gesundheitspotenziale in den eigenen Verantwortungsbereichen zu entwickeln und zu stärken, durch konkrete Programme und durch Methoden wie z.B. Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen von Maßnahmen und Politiken. Wir wissen aus der Gesundheitsforschung, dass nur ca. 20 – 30 % der erhöhten Gesundheits- und Lebenserwartung direkt auf die Leistungen des medizinischen Versorgungssystems zurückzufüheren sind und dass die verbesserte Gesundheit der Bürger stark von Determinanten wie Armut, Ungleichheit, Lebens- und Arbeitsbedingungen, sozialer Vernetzung und "empowerment" abhängen. Hier ist klar und deutlich die Politik und ein modernes öffentliches Gesundheitswesen gefordert.

Dies ist wichtig, denn wenn ein Begriff wir "Gesundheitsmetropole" greifen soll und glaubwürdig sein soll, dann muss zumindest ersichtlich sein, dass von Seiten der Politik dezidiert versucht wird, ein "Mehr" an Gesundheit für die Bevölkerung zu ermöglichen, auch und insbesondere für die benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Von daher gilt für meine Liste der prioritären Strategien für Berlin als Gesundheitsmetropole weiterhin als wichtiger und zentraler Bestandteil die

• Umsetzung einer "Healthy City" Strategie.

C. Weitere Dimensionen der Gesundheitsmetropole

Was aber gilt es über das Healthy City Konzept hinaus zu betrachten, wenn man von einer "Gesundheitsmetropole" spricht? Sicherlich - wie es auch in den Themen dieses Tages angesprochen ist, bedeutet "Berlin als Gesundheitsmetropole" auch
  • Exzellenz in der Gesundheitsforschung (der medizinischen, Pharma und der interdisziplinären Public Health Forschung) und damit die Unterstützung entsprechender Zentren und Institutionen
  • Modellhafte medizinische Einrichtungen, die nicht nur im medizinischen, sondern auch im Service-Bereich führend sind
  • Führende "Referenz"-Programme in der Gesundheitsförderung, Prävention und im Disease Management
  • Modellhafte Nutzung und Weiterentwicklung von Medizintechnologie, Biotechnologie und Informationstechnologie
  • Systemische Innovationen der Vernetzung von gesundheitsbezogenen Dienstleistungen
  • Modellprojekte für neue Formen der Kranken- und Gesundheitsversicherung
  • Förderung eines hoch qualitativen Wellness-Marktes
  • Systemische Innovationen im Public-Private-Partnership und in der Einbeziehung der Bürger und "Konsumenten".

D. Neues Denken: drei Umorientierungen

All dies ist nur möglich, wenn eine Umorientierung des Denkens über Gesundheit und ihre Rolle in der Gesellschaft und auf dem Markt erfolgt. Mit anderen Autoren (z.B. Coddingon et al 2001, Pilzer 2002, Fukuyama 2002) bin ich der Meinung, dass wir in eine radikal neue Ära der Gesundheitspolitik eintreten und dass heute schon die Grundlagen eines neuen Systems geschaffen werden, das wir in 10 Jahren kaum noch erkennen werden. Die Entwicklungen werden ähnlich rapide voran gehen, wie wir sie in den letzten 10 Jahren in der Informationstechnologie erlebt haben. Ich will mich hier auf drei zentrale Umorientierungen konzentrieren:

Erstens: Die simplistische Sichtweise von Gesundheit als Kostenfaktor wird sich grundsätzlich verändern und Gesundheit wird  als Wachstumsindustrie und Investitionsfaktor verstanden

Gesundheit im weitesten Sinne kann nicht mehr nur als Ausgabenfaktor, der niedrig gehalten werden muss, gesehen werden. Zum einen ist dies schon aufgrund der realen demographischen, pharmakologischen und der medizintechnologischen Entwicklung gar nicht möglich – zum anderen müssen wir beginnen Gesundheit in postindustriellen Gesellschaften als wichtigen Wirtschafts- und Investitionsfaktor zu sehen. Dies geschieht auf zweierlei Weise:
• der breite Gesundheitsbereich ist einer der wenigen Wachstumsbereiche in modernen Gesellschaften. In den USA geht man davon aus, dass die Wachstumsrate im traditionellen medizinischen System 6 bis 7% im Jahr beträgt, also ca US$ 100 Milliarden pro Jahr, das bedeutet für das Jahr 2005 ein Ausgabenvolumen von US$ 1,8 Billionen.
• eine "gesunde" Bevölkerung ist gesamtwirtschaftlich gesehen von zentraler Bedeutung, ob es um Aspekte wie Fehlzeiten, Ausgabenstruktur von öffentlichen Haushalten oder Versicherungssystemen geht.

Manche Makroanalysen gehen davon aus, dass "Gesundheit" zum nächsten grossen Wachstumsbereich im Sinn der grossen Wirtschaftzyklen (Kondriateff) wird und dass Staaten, deren Wirtschaft darauf vorbereitet ist, einen ensprechenen Wettbewerbsvorteil im globalen Markt haben werden. Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass Staaten, die eine gut ausgebildetete und "gesunde" Bevölkerung haben, im globalen wirtschaftlichen Wettkampf zwischen Nationalökonomien besser bestehen werden (Keating/Hertzfeld 2001, Rosencrance 2001). Eine "Gesundheitsmetropole" müßte sich also in diesem Feld platzieren und es ist zu empfehlen, dass Studien angefertigt werden, die das Potenzial von Berlin als international konkurrierende Gesundheitsmetropole ausloten. Mit welchen anderen Städten zum Beispiel möchte Berlin sich messen?  Mit welchen Firmen werden Berliner Anbieter im internationalen Feld konkurrieren?


Zweitens: Die Entwicklung des Gesundheitssektors in weitesten Sinne wird  nicht mehr von den Professionellen im Gesundheitswesen angetrieben (Produzentensteuerung), sondern von zunehmend selbsbewussten Gesundheitskonsumenten und den rapiden Fortschritten in der Medizin, Bio- und Informationstechnologie

Die alternden Babyboomers werden das Gesicht des Gesundheitswesens der nächsten zehn Jahre bestimmen. Ihr zunehmendes Interesse an Wellness, Prävention, Genetik usw. sowie ganz schlicht ihre Anzahl wird die Nachfrage nach medizinische Dienstleistungen, Pharmaka, disease management und "personalized medicine" explodieren lassen. Hierbei handelt es sich um eine Kohorte, die in der Konsumgesellschaft groß geworden ist und immer weniger bereit sein wird, Wahlmöglichkeiten, die ihr im Konsumbereich möglich sind, im Gesundheitsbereich aufzugeben. Schlüsselbegriffe sind choice, control und involvement. Dies wir zu einer zunehmenden Segmentierung des Gesundheitsangebotes führen und wird größere Eigenbeteiligung und größere Eigenverantwortunung mit sich bringen.

Schon jetzt haben die freiwilligen Ausgaben und Zuzahlungen signifikant zugenommen, Beispiele sind Laserstrahl-Augenoperationen, die derzeit US$ 2,100 pro Auge kosten. Aufgrund einer kürzlich durchgeführten Umfrage sind Konsumenten bereit, selbst bis zu US$ 500 für einen genetischen Test auszugeben, ähnliches gilt für Verfahren wie "virtuelle Darm-Untersuchungen. Die Ausgaben für Komplementär- und Alternativmedizin betrugen im Jahr 1999 ca. US$ 50 Milliarden zusätzlich zu den nationalen Gesundheitsausgaben. Der Wellness-Markt beträgt zusätzlich um die US$ 200 Milliarden. (zum Vergleich: das ist 50% des Verkaufsvolumens der amerikanischen Autoindustrie). In diesem Markt entwickeln sich nun auch neue Finanzierungsmodelle.

Coddington et al  (2002) haben neun Schlüsselbereiche idenitifiziert, anhand derer Konsumenten das Gesundheitssystem bewerten werden und für die sie auch bereit sein werden, zusätzliche finanzielle Beiträge zu erbringen, insbesondere "service, convenience, access, choice, affordability and personal relationships". Von großer Bedeutung ist hier, dass die hohe Qualität die medizinischen Dienstleistungen voausgesetzt wird und report cards (benchmarking) der Leistungserbringer erwartet werden. Der Trend, so die US-Diskussion, geht in Richtung Baukastenangebote im Versicherungwesen und einem dialogischen System der Leistungserbringung. Der sehr viel besser informierte Bürger/Konsument/Patient wird auch höhere Anforderungen an das medizinische System stellen: "boomers expect to live well longer and will demand a health system that supports their perspectives and preferences." Das bedeutet das eine neue Form von Rechenschaftspflicht auf das Gesundheitssystem zukommen wird.

Eine besondere Bedeutung wird der Informationstechnologie zukommen: die Benutzung des Internets zur Informationsbeschaffung für den Patienten und zur direkten Kommunikation mit dem medizinischen Fachpersonal, Telehealth-Möglichkeiten zur Ferndiagnose und Behandlung und Nutzung der Informationstechnologie für Koordination der medizinischen Dienstleistungen und Patienteninformationen.

Für die Orientierung "Gesundheitsmetropole Berlin" bedeutet dies, Modelle zu entwickeln, die auf die neue Konsumentenorientierung ansprechen und sie mit neuen Finanzierungsformen in Einklang bringen. 


Drittens: der Wellness-Bereich sowie Leistungen, die Lebensqualität und Selbstbestimmung ermöglichen (bis ins hohe Alter), werden  zu den den großen neuen Wachstumsmaschinen im Gesundheitssektor


Wellness:
Die Unterscheidung zwischen medizinisch notwendigen Interventionen und Medikamenten und solchen, die sich eher auf Wohlbefinden und Lebensqualität hin orientieren, wird zunehmend schwieriger – und damit geht einher, dass es immer schwieriger wird zu bestimmen, wer denn nun für diese neuen Produkte und Dienstleistungen zahlen sollte. Nach  neueren Untersuchungen zu urteilen, wächst der Bereich der "Lebensqualität"-Produkte und Maßnahmen inzwischen schneller als der medizinische Markt. Pilzer geht davon aus, dass in zehn Jahren der Wellness-Bereich ebenso groß ist wie der medizinische, also ca. 1,3 bis 1,8 Billionen US$. Was schließt dieser Markt alles ein? Payne/Kickbusch (2003) schlagen die folgenden Kategorien vor: 
  1. Ernährungsergänzende Produkte und Dienstleistungen (Vitamine etc)
  2. "gesunde organische Produkte", Getränke, Restaurants usw.
  3. Fitness Produke und Dienstleistungen
  4. Präventionsleistungen (Gesundheitscheck, Raucherentwöhnung),
  5. Freiwilllige Eingriffe und Pharmaka (kosmetische Chirurgie, Botox,Hormone, Viagra)
  6. Alternative Medizin
  7. Gesundheitsinformation, Ratgeber, und Ressourcen
  8. Gesundheitstourismus
  9. Gesundheitspläne und -versicherungen
  10. Werbung, Marketing usw.
Eine zunehmende Anzahl von Versicherungplänen in den USA bietet "Gesundheitspläne" als Zusatzleistungen. Hier z.B. Das  CIGNA "Healthy Rewards" Programm. Es bietet:
  • 25% discount on acupuncture and chiropractic services
  • 20% discount on cosmetic dentistry
  • 10-20% discount on eye exams, eyewear and contacts
  • Up to 60% discount on fitness club membership düs (through "Global Fit")
  • 5% savings on drugstore.com
  • Discounts on Hearing Care and Hearing Instruments
  • $25-$550 savings on LASIK Eye surgery
  • Up to 25% savings on Massage Therapy
  • Up to 10% savings on Guided Imagery and Mind-Body Techniqüs
  • Up to 10% savings on Tobacco Cessation Services
  • 40% discount on Vitamins & Herbal Supplements
  • Up to 10% discount on Weight Management and Nutrition Services
 

Disease Management

Hierbei zeigt sich, dass sich auch zunehmend die Grenze zwischen Gesundheitsförderung, Prävention, Disease Management und medizinischer Dienstleistung verwischt. In der amerikanischen Gesundheitsversorgung zeigt sich ein Trend Disease Management näher an den Wellness-Bereich heranzuführen, einerseits weil ein hoher Grad an Outsourcing üblich ist (wie auch bei den Wellness-Programmen) und andererseits, weil der hohe Grad an Motivation und Selbstbeteiligung, die von Seiten des Betroffenen nötig ist, in einem Wellness-Kontext näher an die Lebensqualitätsdimension herangeführt wird. Angesichts der Tatsache, dass ca. 20 % der Bevölkerung ein oder mehrere chronische Krankheiten haben und diese 20% wiederum ca. 50% der Gesundheitsausgaben nach sich ziehen, läßt sich die Notwendigkeit von Innovation in diesem Bereich gar nicht genug unterstreichen. Programme wie DiabetesWell haben in diesem Bereich das neue Konzept der e-clinic entwickelt. Auch im Wellness-Bereich liegt ein großer neuer Markt für eine Vielzahl von technologischen Innivationen, z.B. Monitore zur Messung verschiedener Körperfunktionen. 

Auch in Deutschland läßt sich dieses Phänomen beobachten. Zunehmend haben führende Zeitschriften den Wellness-Markt entdeckt und ihre Verkaufsstrategie darauf eingestellt. Focus versucht beide Bereiche (Information und Accountability) abzudecken: einerseits durch Listen und Benchmarking der Leistungserbringer, andereseits durch eine Ratgeberserie "Fitness und Ernährung". Der Stern hat ein neues Spezialheft laciert "Gesund leben" das mit einer Auflage von 230.000 im Mai 2003 auf den Markt gekommen ist. Im redaktionellen Teil bietet jeder der acht behandelten Themenbereiche einen Test für den Leser. Der Anzeigenteil gibt einen guten Überblick über den Wellness Markt, z.B. eine AOK-Werbung ("Wir tun mehr") gibt die 100 besten Fettspartipps, eine Talkshow-Moderatorin wirbt zusammen mit der Felix Burda Stiftung für Darmkrebsfrüherkennung , die DKV wirbt mit Sigmund Freud für Disease Management Programme, das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wirbt für Bio-Äpfel, Seffi Graf wirbt für wellfit, man bekommt 25 Addressen für die Wellness-Reise und die Kleinanzeigen bieten alles von kosmetischer Chirurgie bis Berufsausbildung zum Entspannungstherapeuten. Man denke zurück an die großen Diskussionen vor zwanzig Jahren, wie man denn Gesundheitserziehung ansprechender gestalten könnte.


Pflege
Der dritte große überschneidende Bereich sind die Vielzahl der Dienstleistungen für die älter werdende Gesellschaft. Die hohen Kosten für Pflegeheime einerseits und der starke Wunsch nach möglichst langer Unabhängigkeit in der eigenen vertrauten Umgebung andererseits beinhaltet die Suche nach finanzierbaren Alternativen.  Die Financial Times berichtete unlängst (4. Juni 2003) über die rapide Ausweitung des Konzessionsgeschäftes in der Haushalts- und nicht medizinischen Altenpflege. "Almost anything connected with eldercare in some shape or form is taking off right now". Eine solche Firma kann innerhalb eines Jahres ein Wachstum von 87 auf 204 Konzessionen vorweisen.

Für die Thematik "Gesundheitsmetropole Berlin" bedeutet dies zuallererst eine Analyse des Marktes anhand dieser zehn Wellness-Kategorien sowie der Pflegedienste und seines Potenzials, sowohl in Berlin wie darüber hinaus. Teil einer solchen Analyse ist ebenfalls die Marktsegmentierung, die auch Hinweise darauf geben kann, welche Kunden für diesen Bereich ansprechbar sind und auf welche Weise.

E. Fazit

Der Gesundheitsbereich ist im rapiden Umbruch. Unter dem Aspekt "Berlin als Gesundheitsmetropole" bieten sich eine Vielzahl von Dimensionen an. Dieser Beitrag hat versucht zu verdeutlichen, dass die Innovationskräfte eines solchen Konzeptes nicht nur in den herkömmlichen Bereichen der medizinischen Forschung und Versorgung liegen. Die Entwicklungen gilt es anhand der drei großen Paradigmen der Gesundheitsgesellschaft zu analysieren und zu bewerten. Es wird wichtig sein, dass das Konzept "Gesundheitsmetropole" und die damit verbundenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen breit diskutiert werden.

Ulrich Beck hat in seiner Analyse der Risikogesellschaft klar zum Ausdruck gebracht, dass wir uns im politischen und sozialen Feld die großen Fragen stellen müssen: wie wollen wir leben? Anthony Giddens hat dies lifepolitics genannt, Gerhard Schulze spricht ebenfalls von der Bedeutung neuer kollektiver Orientierungen und Lernprozessen und den Grenzen des Steigerungsspiels, wie er es nennt. Trotzdem – und auch Schulze weist darauf hin – wird gerade im Gesundheitsbereich mit der Entwicklung der Biotechnologie und Genetik sowie der Informationstechnologie das Steigerungsspiel weiter gehen – auch weil die Bürger und Konsumenten diese Steigerung als Teil ihrer eigenen Lebens- und Gesundheitsoptionen wünschen. Dabei wird vieles auch von neuen Wertvorstellungen getrieben sein. Die von mir schon erwähnte Entwicklung der Akzeptanz einer neuen Selbstmedikation zum besseren Funktionieren (cosmetic psychopharmacology), die schnelle Akzeptanz und Anwendung von Lifestyle-Medikamenten wie Viagra, der Boom der Schönheitsindustrie und schlussendlich die Möglichkeiten, die sich in der neuen Genetik verbergen.  

Während sich die ersten beiden Dimensionen des Paradigmas der Gesundheitsgesellschaft nicht notwendiger Weise gegenseitig ausschliessen müssen
  • Gesundheit als Empowerment und Emanzipation
  • Gesundheit als attraktives käufliches Produkt
so ist doch die dritte Dimension
  • Gesundheit als ultimativer Wert
mit sehr viel größeren Problemen belastet, besonders wenn sie mit der Dimension des Marktes verbunden wird, ohne die Dimension der Emanzipation einzubeziehen. Francis Fukuyama hat dies in seiner nachdenklichen Analyse der biotechnischen Revolution ausgeführt (2002). Wenn, so meint er, durch die Möglichkeiten der Genetik die grundlegenden Prämissen unserer politischen Wertvorstellungen angegriffen werden – that all men are created equal – dann gerät die demokratische Gesellschaft selbst in Gefahr.  Das führt uns zurück zu der ersten strategischen Dimension der Gesundheitsmetropole dem healthy city Konzept. Hier liegt der Ansatz für den wichtigen gesellschaftlichen Dialog und die Einbeziehung der Bürger, für die ausgleichenden Maßnahmen in Bezug auf die Market Failures und die Sicherstellung der universellen Grundversorgung (die wiederum als gesellschaftlicher Konsens nicht als professionelle Übung definiert werden muss) und schließlich für die regulativen Maßnahmen, die ein solch neues komplexes Beziehungsgefüge und Gesundheitsnetz nach sich ziehen wird. 

F. Literatur:

Beck, Ulrich: Risk Society. Cambridge: Polity Press 1992

Castells, Manuel: The rise of the network society. Oxford: Blackwell 1996

Coddington, Dean C., Fischer, Elizabeth A., Moore, Keith D.: Strategies for the New Health Care Marketplace.  San Francisco: Jossey Bass 2001

Dahrendorf, Ralf: Auf der Suche nach einer neuen Ordnung. München C.H.Beck 2003

Fukuyama, Francis Our posthuman Future. New York Farrar Straus & Giroux 2002

Financial Times Special Report Franchising. Wednesday June 4 2003

Giddens, Anthony : Modernity and Self Identity self and society in the late modern age. Cambridge Polity Press 1991

Kickbusch, Ilona : Perspectives on health governance in the 21st Century. In: Health Targets in Europe. Polity, progress and promise. Edited by Marshall Marinker. BMJ Books London 2002, pages 206-229

Kickbusch, Ilona: The Future Value of Health. In: Perspectives Centennial Issue. Washington Pan American Health Organization 2002

Levy, Ariel: Pill Culture Pops. In: New York, June 9, 2003 pp 24-29

Mendelson, S. (1998) "Selling Wellness", Supermarket Business, 53 (7), 65.

Moskowitz, D. "The Bucks Behind the Wellness Boom" Business & Health, 17 (2), 43.

Payne, L. & Kickbusch, I. The Wellness Industry: Facts, Trends, and Implications in the United States and Europe, Background Report on Wellness. Unpublished. 2003

Kickbusch, Ilona & Payne, Lea: The public health revolution meets the wellness revolution. Editorial Health promotion International 18.4. 2003 forthcoming

Pilzer, Paul Zane: The Wellness Revolution. New York:Wiley & Sons 2002
Sen, Amartya: Development as Freedom. New York: Knopf 1999

Schulze, Gerhard: Die beste aller Welten. München/Wien: Hanser 2003

WELCOA (2003) Retrieved on May 13, 2003 from http://www.welcoa.org

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