Wellness-Beiträge



WELLNESS: WORAN MAN DENKEN SOLLTE

von Prof. Dr. Horst Przuntek

Das Bedürfnis nach Wellness ist in dem Augenblick gestiegen, als die Leistungsverpflichtung der Arbeitenden immer größer wurde, die Sinnfindung für den Einzelnen deutlich schwerer wurde und zu einem Zeitpunkt, als die Sinneserfahrung der jetzt Wellness-Suchenden sich in der Kindheit deutlich reduzierte.

Das Bedürfnis nach Wellness stieg mit der Zahl der Single-Haushalte. Das Bewusstsein, generell in einer berührungsärmeren Welt zu leben, steigerte das Verlangen nach Wellness. Auffallend ist, dass auch Berührungstänze in allen Altersgruppierungen wie Tango, Walzer und Foxtrott weniger getanzt wurden. Als Gegenbewegung war die Tangobewegung der letzten 10 Jahre bei Jugendlichen in größeren Städten zu beobachten.

Das Bedürfnis nach Wellness stieg ebenfalls, als man fühlte, dass der leistungsbezogene Sporturlaub keine umfassende Rekreationsmöglichkeit für den hochbeschäftigten Menschen sein konnte. Auffällig ist, dass Frauen, die emotional im Vergleich zu Männern ihrer Zeit voraus sind, die Wellness-Angebote mehr in Anspruch nehmen als Männer.

Daraus ergeben sich für die etablierte Gesellschaft je nach intellektueller und emotionaler Kapazität unterschiedliche Punkte, die bei der Inanspruchnahme eines Wellness-Programms beachtet werden sollten.

Differenzierte Wellness-Programme sind gefragt

Wichtig scheint mir dabei, dass die unterschiedlichen Wellness-Programme zumindest in gewissem Masse alters- und geschlechtsspezifisch adaptiert sein sollten.

Weiterhin sollte darüber nachgedacht werden, ob ich als ein Gesunder ein Wellness-Programm anstrebe, oder als Mensch mit einer Krankheit, wie z.B. Bluthochdruck, Magen-Darm-Störungen, Diabetes o.ä. nicht eher ein Medical-Wellness-Programm versuchen sollte.

Wellness wird als Wohlbefinden an Körper, Geist und Seele verstanden. Es ist eine im Orient und Fernen Osten wohl verstandene Sehnsucht, im Einklang mit sich selbst zu sein. Dies bedeutet, dass der ganze Mensch bei einem Wellness-Programm angesprochen werden sollte. Die Fähigkeit zu Lebensfreude, das zumindest partielle Loslösen von den Sorgen des täglichen Lebens, der Sinn für die Schönheit und die Freude am eigenen Körper und der eigenen Seele, eine bewusste Lebensweise und die Begegnung mit dem eigenen Ich sollen geweckt werden und dazu dienen, den Alltag positiver zu bewältigen.

Wellness für die Sinne

Für die meisten ist das Hauptziel von Wellness-Programmen eine Entspannung des Körpers, sprich: der Körpermuskulatur und eine Erholung des autonomen, vegetativen Nervensystems. Den Anspruch, den sie an einen Wellness-Ort stellen sollten, sind dafür ausreichende Möglichkeiten einer länger andauernden Berührungstherapie und Massage. Die Massageräume sollten möglichst Tageslicht haben, die Massage sollte mit das olfaktorische System anregenden Ölen durchgeführt werden. Bei den Massagen sollte immer eine Ganzkörpermassage durchgeführt werden. Mit der Massage und Berührungsbehandlung wird der Ursinn des Menschen schlechthin angesprochen. Der Sinn für die Berührung entwickelt sich beim Menschen als erster und stellt den ersten Kontakt des Embryos mit der Mutter dar. Die Vereinzelung der Individuen führt dazu, dass Berührung im täglichen Leben zunehmend an Bedeutung verloren hat. Aus diesem Grunde sollte die Berührung in jedem Wellness-Programm nicht fehlen dürfen. Additiv dazu muss ausreichend Möglichkeit zu einer sanften Bewegung im Wasser gegeben sein, das ebenfalls der Hauttemperatur entsprechen sollte.

Ein weiterer Sinn, der dem Menschen Lust und Freude vermittelt, ist der Riechsinn. Dieser degeneriert beim Menschen aufgrund der Eintönigkeit der Arbeitsstätten nahezu total, d.h. eine sog. Aromatherapie oder die Möglichkeit, den Geruchssinn mit aromatischen Stoffen zu stimulieren, sollte bei keinem Wellness-Programm fehlen.

Ein weiteres wichtiges Organ, das ebenfalls sehr früh im Mutterleib entwickelt wird, ist das Hörorgan, daher ist das Hören ebenfalls eine wichtige, sinnliche menschliche Aufgabe. Die Klangvarianten oder die sog. Wellness-Musik sollten milde sein, keine schrillen Töne oder elektronische Verstärkung aufweisen.

In einem Wellness-Bereich sollte ebenfalls die Möglichkeit zu einer Lichtbehandlung, die leicht antidepressiv wirkt, vorhanden sein. Die Räume sollten dem Harmoniebedürfnis des Ruhe Suchenden gerecht werden. Sie sollten in milden Farben gestrichen sein. Die Schlafräume sollten so eingerichtet sein, dass sie dem Betrachter gut tun.

Wellness-Institutionen sollten in der Landschaft liegen. Der Ausblick sollte möglichst in die Natur gehen und nicht auf andere Häuser gerichtet sein.
Eine nächtliche Lärmbelästigung sollte unbedingt vermieden werden.

Gesunde Ernährung und Ruhe gehört dazu

Zu jeder ganzkörperlichen Erfahrung gehört auch die Entspannung des autonomen Nervensystems, hier insbesondere des Magen-Darmtraktes. Es sollte darauf geachtet werden, dass der Magen-Darm-Trakt durchaus gereinigt und entschlackt werden kann und dass die Kost an der unteren Grenze der erforderlichen Kalorienmenge liegt. Alkohol wie auch Nikotin sollten zur Zeit der Wellness-Behandlung möglichst vermieden werden oder allenfalls in geringsten Mengen zu sich genommen werden.

Alle angsteinflössenden Maßnahmen oder Betätigungen, die höchste Herzaktivität verlangen, sollten in dieser Zeit reduziert werden. Es empfiehlt sich auch, die Wellness-Massnahmen möglichst nicht wochenweise anzubieten oder anzunehmen sondern über den Wochenrhythmus hinaus zu gehen und nach Abschluss des Wellness-Erlebnisses möglichst am Donnerstag oder Freitag wieder mit der Arbeit zu beginnen und bestimmte Wellness-Verfahren am Wochenende zuhause anzuwenden.

Medical Wellness – gesundheitliches Wohlbefinden nicht nur für medizinisch Gesunde

Neben dem allgemeinen körperlichen Wellness-Verfahren gewinnt das sog. Medical Wellness zunehmend an Bedeutung. In einer Gesellschaft, in der psychosomatisch aus dem Gleichgewicht gebrachte Menschen, übergewichtige Hypertoniker oder Diabetiker an der Tagesordnung sind, oder z.B. Rauchen ein großes gesundheitliches Problem darstellt, ist die Wellness-Behandlung hier primär anders zu formulieren.

Wenn Wellness und Gewichtsabnahme verbunden werden sollen, ist von vornherein ein längerer Zeitpunkt für die Wellness-Behandlung anzustreben. Hier gewinnen auch Fastenmaßnahmen und Ernährungsmaßnahmen einen ganz besonderen Stellenwert.

Trotzdem wird die Entspannung auch einem Hypertoniker gut tun. Ganz anders ist es bei Patienten mit chronischem Schmerz, funktionellem Herzleiden oder funktionellen Unterbauchbeschwerden, die bei Frauen außerordentlich häufig sind. Hier sollte auf jeden Fall eine psychosomatische Mitbehandlung in dem Wellness-Unternehmen er-möglicht sein, und zwar durch einen ausgebildeten psychosomatisch trainierten Arzt. Andere Erkrankungen, wie z.B. die Multiple Sklerose, der Morbus Parkinson oder der Diabetes mellitus verlangen vornehmlich eine fachärztlich ausgezeichnete Behandlung des Patienten und in Addition dazu Wellness-Verfahren, wie sie oben angesprochen worden sind.

Auch bei psychisch kranken Patienten wie Depressiven wird die allgemeine Wellness-Behandlung nicht zum Erfolg führen. Hier ist streng darauf zu achten, dass vor der Wellness-Behandlung eine antidepressive Therapie in ausreichendem Masse stattgefunden hat. Die Wellness-Behandlung wird aber die antidepressive Therapie maßgeblich unterstützen.

Eine Beauty-Behandlung gibt keine innere Erfüllung

Den Wellness-Institutionen sind häufig Kosmetikstudios angeschlossen. So gut dies auch sein mag, ist dennoch zu beachten, dass die wahre Schönheit von innen kommt, d.h. aus dem Menschen heraus. Die Beauty-Institute sind sicherlich in der Lage, für eine gewisse Zeit zur Vitalisierung der Gesichtshaut beizutragen, wesentlich erscheint mir allerdings die Einstellung zur Freundlichkeit.

Kein Kosmetikstudio ist in der Lage, ein verhärmtes, sorgenerfülltes, trauriges Gesicht wesentlich zu verändern. Damit kommen wir zu einem wesentlichen Problem des nach Wellness suchenden Menschen, nämlich dem Verlust der Mitte.

Dadurch, dass sich sehr viele Religionsgemeinschaften keinen Zugang mehr zu den in dieser Zeit lebenden Menschen schaffen konnten, kommt es zu einer inneren Unausgefülltheit, dem Gefühl der Sinnlosigkeit und des Ausgeliefertseins. Die Möglichkeit, über diesen essenziellen Punkt im Menschendasein sprechen zu können, gibt es heute vielfach nicht mehr, weder bei der Arbeit noch im Freundeskreis. Auch nicht unter Partnern.

Der Verlust der Mitte wird aber erlebt. Es sollte daher bei einer guten Wellness-Institution die Möglichkeit der Meditation und zur Verinnerlichung angeboten werden.  Die Ausbildung in diesen Übungen sollte so einfach sein, dass sie auch zuhause weiter geführt werden kann.

Zusammenfassung

Wir unterscheiden prinzipiell zwei Wellness-Programme: 1. das allgemeine Wellness-Programm und 2. das Medical Wellness-Programm. Beim allgemeinen Wellness-Programm sollte der ganze Mensch mit Körper und Seele angesprochen werden. Im Vordergrund stehen hier Methoden zur Körperentspannung und zur Regulierung des vegetativen Systems, sowie Zeit zur Meditation und Sinnfindung.

Beim Medical Wellness Programm stehen im Vordergrund Maßnahmen, die die Krankheit berücksichtigen und hier auch zur Therapie führen. Darüber hinaus unterstützende Wellness-Maßnahmen, wie sie oben angesprochen sind.

Bochum, 04. Februar 2003

eMail-Kontakt: Prof. Dr. H. Przuntek

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