Wellness-Beiträge



Ist Fitness gesund?

Kaum jemand könnte Zweifel daran haben, dass gute Fitness auch gute Gesundheit bedeutet. Schließlich liest und hört man überall davon. Dennoch gibt es Zweifel an der Selbstverständlichkeit dieses Zusammenhangs.


Verfasser: Lutz Hertel

Viele Gesundheitsstudien sprechen für Sport und Bewegung

Insbesondere in den USA hat es in den vergangenen zwanzig Jahren viele Studien gegeben, die aufzeigten, wie wichtig ein bewegungsaktiver Lebensstil für die Aussicht auf ein langes und gesundes Leben ist. So konnte eine Forschungsgruppe um Dr. Steven Blair in einer Langzeitstudie mit über 13.000 Teilnehmern (davon 3.120 Frauen) zeigen, dass nach acht Jahren Beobachtungszeit die Personengruppe mit der geringsten Herzkreislauf-Fitness eine um das Dreifache höhere Sterbequote aufwies als die Personengruppe mit der besten Fitness. Es stellte sich allerdings auch heraus, dass ein hohes Fitnessniveau nicht viel mehr bringt als ein mäßiger Fitnesszustand. Denn ein zügiger Spaziergang von dreißig Minuten pro Tag reduzierte die Sterblichkeit unter den Studienteilnehmern fast genau so gut wie ein hartes Lauftraining von 50 bis 60 Kilometern pro Woche.

Viel hilft nicht unbedingt viel

In einer anderen US-amerikanischen Studie, die in diesem Jahr auf dem Kongress des American College of Sports Medicine vorgestellt wurde, verfolgte man über zehn Jahre das Schicksal einer Gruppe von rund 560.000 Amerikanern, die zu Beginn der Studie nach ihrem sportlichen Aktivitätsniveau befragt worden waren.  Es zeigte sich, dass bewegungsaktive Personen ein deutlich geringeres Sterberisiko trugen als jene, die sich kaum körperlich bewegten. Der Dosis-Wirkungs-Effekt war bei Männern etwas ausgeprägter als bei Frauen. Wiederum bestätigte sich aber, dass der relativ größte Nutzen für diejenigen entstand, die sich nur wenigstens zwei bis drei Mal im Monat für jeweils 20 Minuten körperlich stark bewegten oder Sport trieben. Je ausgiebiger und intensiver die Aktivität war, umso so schwächer wurde der zusätzliche Nutzen.

Mehrmals kurz ist besser als einmal lang

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe weiterer Studien, die darüber hinaus vermuten lassen, dass häufige kurze Aktivitäten gesundheitlich sogar mehr Vorteile haben als wenige längere. In einer Studie zur Reduktion von Übergewicht durch Diät und Bewegung stellte sich heraus, dass Frauen, die drei mal täglich 10 Minuten ein Bewegungstraining absolvieren sollten, deutlich mehr Gewicht verloren als jene, die ein Mal am Tag 30 Minuten trainierten. Der Unterschied erklärte sich hauptsächlich daher, dass in der Gruppe mit dem Einmal-Training pro Tag häufiger die Trainingseinheiten ausfielen, am Ende der Beobachtungszeit also viel weniger trainiert wurde als in der anderen Gruppe.
Eine weitere Studie, die den günstigen Einfluss von Bewegungsaktivität auf die Senkung eines erhöhten Blutdrucks untersuchte, kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Wer täglich vier 10-minütige Spaziergänge machte, senkte seinen Blutdruck um vier Stunden länger als jemand, der einen 40-minütigen Spaziergang machte. Nach den kurzen Trainingssequenzen hielt der Effekt für rund elf Stunden an, während der 40-minütige Spaziergang nur sieben Stunden lang für einen niedrigeren Blutdruck sorgte.

Wenngleich diese Studienergebnisse eine deutliche Sprache zu sprechen scheinen, sind die Zusammenhänge durchaus nicht so sicher wie man annehmen könnte. Problematisch erweist sich nämlich die Vermischung der Begriffe Sport, Bewegung und Training einerseits, sowie Fitness und Gesundheit andererseits. Ist Sport gesund oder ist ein fitter Mensch auch ein gesunder Mensch?

No sports?

Bekannt geworden ist das angebliche Zitat „First of all, no sports“ von Winston Churchill, dem ehemaligen Premierminister Großbritanniens, auf die Frage hin, wie er ein so hohes Alter erreicht habe. Es wird immer wieder gern von Menschen gebraucht, die sich damit für ihre fehlende Bereitschaft zu körperlicher Bewegung, Training oder Sport rechtfertigen. Allerdings macht der Deutsche Sportbund darauf aufmerksam, dass Churchill als junger Mann sehr vielen sportlichen Aktivitäten nachging und dabei auch einige sportliche Höchstleistungen erzielte. Im Übrigen gibt es bis heute keinerlei Beweise für die Echtheit dieses Zitates, das man in der englischen Sprache überhaupt nicht findet. Viel interessanter aber ist, dass ein echtes Zitat Churchills vollkommen verschwiegen wird: „Keine Stunde, die man mit Sport verbringt, ist verloren.“
Churchill mag damit Recht gehabt haben. Denn Sport ist eine Selbsterfahrung, bei der es nicht nur um Spaß und Freude an der eigenen körperlichen Aktion und dem Spiel und Wettkampf geht, sondern auch um das Miteinander, das Gemeinsame. Insofern ist Sport vor allem ein kultureller Lebenswert. Dies sagt allerdings immer noch wenig darüber aus, ob Sport auch gesund ist.

Fett und faul ist gesundheitlich die ungünstigste Kombination

Prof. Dr. Christian Mucha von der Deutschen Sporthochschule Köln ging nun kürzlich der Frage nach, ob eine gute körperliche Fitness tatsächlich eine Voraussetzung für eine gute körperliche Gesundheit ist. Dabei berücksichtigte er alle Studien seit 1980, die den Zusammenhang von Fitness und Gesundheit behandelten, und zwar Fitness im Sinne von Ausdauerleistung, Kraft, Beweglichkeit und Koordination, und Gesundheit im einfachsten Sinne als Abwesenheit von körperlicher Krankheit. Demnach weisen einige Studien darauf hin, dass sich eine gute Ausdauerfitness günstig auf das Risiko einer Herzkreislauf-Erkrankung auswirkt, vergleicht man ausdauerschwache mit ausdauerstarken Personen. Hinsichtlich Krafttraining und Knochendichte (eine Risikofaktor für Osteoporose) liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Demgegenüber liegen einheitliche Erkenntnisse über die günstige Wirkung guter Fitness auf die Verringerung des Krebsrisikos vor. Der Einfluss der körperlichen Fitness auf das allgemeine Sterberisiko erweist sich vor allem für stark übergewichtige Männer als bedeutsam. Während Fettleibigkeit an sich schon die Sterblichkeit erhöht, besitzen unfitte Übergewichtige gegenüber fitten Übergewichtigen ein doppelt so hohes Sterberisiko.

Ist wirklich Fitness der Grund für eine bessere Gesundheit?

Dennoch kommt Prof. Mucha nach Auswertung aller untersuchten Studienergebnisse zu dem Schluss, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Fitness und Gesundheit bislang nicht zuverlässig nachgewiesen sei, da Fitness häufig nur durch ein bestimmtes Ausmaß an körperlicher Aktivität definiert wurde und viel zu viele methodische Ungenauigkeiten bei der Durchführung der Studien bestanden hätten. Von den Elementen einer guten Fitness - Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination – hätten sich davon abgesehen nur bezüglich Ausdauer und Kraft weitgehend übereinstimmende Zusammenhänge mit der körperlichen Gesundheit gezeigt. Allerdings sei völlig unklar, ob die bessere Gesundheit eine unmittelbare Folge besserer Fitness sei, oder – wie sehr eher zu vermuten ist –eine Folge der Abnahme von Übergewicht, welches ja ein häufiger Nebeneffekt von körperlicher Aktivität ist. Mucha sieht zwar eine positive Beziehung zwischen Krafttraining und einem gesünderen Stütz- und Bewegungsapparat, jedoch würde durch entsprechendes Training auch das Verletzungsrisiko gesteigert, sodass sich gesundheitliche Effekte möglicher Weise gegenseitig wieder aufheben.

Prof. Muchas Fazit fällt entsprechend ernüchternd aus: Von mehr Fitness profitieren gesundheitlich noch am ehesten die am wenigsten Fitten. Wie viel Fitness im eigentlichen Sinne zu mehr Gesundheit führt, ist noch weitgehend ungeklärt. Anderseits: Für den gesundheitlichen Nutzen scheint es völlig gleichgültig zu sein, welche Art von körperlicher Aktivität man wählt (Sport, Spiel, Fitnesstraining, Hausarbeit, körperliche Berufstätigkeit): Hauptsache, ich verbrenne dabei hinreichend Kalorien und erziele dadurch ein günstiges Körpergewicht. 


 

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