Wellness-Beiträge



Bringen Sie „Wellness“ auf den Tisch!

Viele Hotels positionieren sich als Wellness-Hotel oder haben ihr Spektrum zumindest um eine Wellness-Abteilung erweitert. Daher ist es eigentlich unverständlich, dass „Wellness“ in vielen Fällen an der Schwelle zum Restaurant halt macht.

Das Interview ist erschienen in der Kundenzeitung der Fa.Convotherm.

Warum dies so ist, erklärt Manfred Müller, Fachbereichsleiter Essen & Trinken im Deutschen Wellness Verband.

MM: Die Gründe sind ebenso vielfältig wie die Ausreden, erst gar keinen Versuch zu starten. „Das haben wir alles schon probiert“ wird ebenso argumentiert wie der Verweis auf die Renner- und Pennerliste oder den Controller. Zugegeben: Das vermeintliche Spannungsfeld von kulinarischem Anspruch und  gesundheitsfördernder Ernährung einerseits, der Gastakzeptanz und kostenrelevanter Umsetzbarkeit andererseits erscheint manchem F&B-Verantwortlichem im Moment als unüberwindbare Hürde. Wenn man sich dann professionell und motiviert mit diesem Thema auseinandersetzt und simultativ den Faktor „Wellness-Vital-Küche“ einbaut, sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

- Küchenabläufe- und Organisationsstrukturen
- Vorhandene Gargeräte und -techniken
- Derzeitige Speisenkomponenten mit hoher Gastakzeptanz
- Food Cost - und Kosten, die direkt mit der Leistungserstellung einhergehen

Können sie uns ein konkretes Beispiel aus der Praxis nennen?

MM: Machen Sie die Probe aufs Exempel. In der konventionellen Zubereitung findet sich auf der Speisekarte folgendes Fischgericht: Poeliertes Steinbeißerfilet mit Beurre Blanc, Spinatflan, Tomaten-gemüse, Kartoffeltörtchen. Die Wellness – Vitale – Zubereitung serviert den frischen Steinbeißer mit frisch sautiertem Blattspinat und gebratener Hirse mit Berglinsen. Der besondere Genuss kommt aus der Zubereitung: Der Steinbeißer wird im Vakuum bei ca 55° im  „Sous Vide“ Verfahren gegart ((mit Kurkuma, Vanilleschote, frischem Ingwer, Chili, Limonenblätter, Zitronengras, Galgant, Asaföiti-da/Indisches Hing, Ghee/Butterreinfett), Der im Vakuum entstandene kurze Aromafond wird kurz vor dem Service mit Kokosmilchpulver und wenig Kristallsalz/ Fleur de Sel schaumig aufgetourt und fertig! Bei Management -orientierter Küchenbetriebsführung ist dies kein Mehraufwand; auch ein höherer Waren-einsatz ist nicht zu erwarten.

Sie sprechen von „Vitaler Wellness-Küche“. Was ist darunter zu verstehen?

MM:
Damit der richtig verstandene Wellness-Spirit in der Küche Einzug halten kann, brauchen wir das Rad nicht neu zu erfinden. Das Wissen Jahrtausende alter natürlicher Lebens -und Ernährungskultu-ren aus  China, Japan,  Indien, sowie aus dem alten europäischen Heilkundewissen über Ernährung  und deren Verwendung von Gewürzen und Präparationen im Kontext mit heimischen, jahreszeitlich zur Verfügung stehenden, sauber und nachhaltig angebauten Nahrungsmitteln ergibt eine nachvoll-ziehbare vitalisierende Essenz. Generell gilt, dass die Lebensmittel, welche in der Region wachsen wo wir leben, für uns am gesündesten sind. Dies hat auch sehr viel mit dem Klima zu tun, denn die Natur lässt z.B. die Gemüse so wachsen, dass sie die Gesundheit des Menschen in dieser Region optimal unterstützen. So ist beispielsweise Obst im Sommer, wenn es hier reif wird, für uns viel besser zu verstoffwechseln als die Äpfel aus Neuseeland oder die Südfrüchte aus Chile.

Um den Wert der gesundheitlich günstigen Lebensmittel zu erhalten, sind einige einfache Regeln zu beachten: Lange Lagerzeiten bei Obst, Gemüse, Salaten und Kräutern vermeiden, Speisen frisch zubereiten und baldmöglichst verzehren. Gemüse in hochwertigen pflanzlichen Fetten (Bio-Qualität) oder Ghee auf den Punkt dünsten. Frische Kräuter erst kurz vor Ende des Garprozesses zugeben.

Wie sieht es mit den Garmethoden aus?

MM:
Wichtig ist die Vitalstoff - schonende  Methodik der Speisenzubereitung mit den dazu prädesti-nierten Garverfahren wie das Vakuum garen (Sous Vide) oder Niedertemperatur garen oder fettarmes Garen im Heißluftdämpfer.

Wer wellness-orientiert kocht, verbannt ab heute das Fett aus der Küche?

MM: Aber nein! Ein landläufig verbreiteter Irrglaube besagt, dass Fett oder Öl automatisch dick macht. Keiner redet davon, dass Ursprung und Qualität des Fettes oder Öles entscheidend sind. Denken Sie an ein Auto! Es fährt dann wie geschmiert, wenn es gutes Öl hat. Bei schlechtem Öl wird es irgend-wann die Fahrt verweigern.

Was sind denn gute Öle?

MM: Ausschlaggebend für die Qualität ist die Art der Herstellung. Am besten sind Öle aus mechanischer Pressung. Empfehlenswert sind Omega-3-Fettsäuren-haltigen Öle und einfach und mehrfach ungesättigte Fette wie Olivenöl, aber auch Hanf- oder Leinöl. Es kommt immer auf die Art der Zubereitung an, denn die Hitzeverträglichkeit der Öle ist sehr unterschiedlich. Zum Backen und Braten emp-fiehlt sich beispielsweise Rapsöl. Öle mit höherem Anteil an zweifach ungesättigten Fettsäuren (wie Distel-, Kürbiskern- oder Walnussöl) sind ideal für Salate.

Wie können wir „Wellness-Küche“ beim Gast besser rüber bringen?

MM: Halten Sie sich an das Prinzip: „Tue Gutes und sprich darüber“ Wenn die Wellness - Vital - Küche bei den Gästen auch kommuniziert wird, entwickelt sich ein Marketing-Synergie-Effekt. Die Kommunikation beschränkt sich dabei nicht nur auf die Servicemitarbeiter, den Restaurantchef und den Sommelier. Auch alle Köche, die im Front-Cooking oder am Buffet eingesetzt werden, sind gefragt. Dabei versteht es sich von selbst, dass Wellness an der Spitze „gelebt“ werden muss: Vom Eigentümer, der Hotelführung, dem Küchenchef und dem F & B Management. Nur dann kommt die Philosophie in den Köpfen aller an. Zusätzliche Schulung ist allerdings unabdingbar. Dann ist auch erfolgreiches „Cross-Selling“ möglich, das nachgewiesener Maßen zusätzliche Gäste ins Spa bringt.

Haben Sie sonst noch einen guten Tipp?

MM: Damit die Gäste vor Ort das Prinzip der Wellness-Vital-Küche mit allen Sinnen erfahren und gute Ideen mit nach Hause nehmen können, sind Kochkurse unter der Regie des Küchenchefs oder Souschefs eine zielführende Idee. Beide Protagonisten sollten sich allerdings auch abends zwischendurch im Restaurant sehen lassen, um ihre vitalen Kreationen zu erläutern oder Fragen interessierter Gäste zu beantworten. Dazu sollte ein ernährungsmedizinisches Grundverständnis vorhanden sein sowie die Fähigkeit, das Wissen im Kontext mit der praktischen Umsetzung zu vermitteln. Unter Umständen ist es sinnvoll, sich professionelle Unterstützung von außen zu holen. Auch der Außer - Haus - Verkauf – beispielsweise von vorzüglichen Ölen, denen einige Rezepturen beiliegen – ist ein idealer „Alltags-transfer“ für den Gast. Ich kann Ihnen versichern: Der Imagegewinn und die ausgestrahlte Kompetenz für die Küche bzw. den Food & Beverage Bereich ist immens, rekrutiert neue Gäste und lässt diese zu Stammgästen werden.

Welcher Küchentrend kommt als nächstes?

MM: Der „Jahrhundertkoch“ Eckhart Witzigmann muss es wissen: Ein Trend der sich immer mehr abzeichnet, ist der zu kurzen Wegen. Soll heißen: Mehr und mehr Spitzenköche auf der ganzen Welt versuchen, möglichst viele Produkte aus der eigenen Region in ihre Speisenkarten zu integrieren. Die Regionalisierung schreitet munter fort, das Restaurantangebot wird zunehmend regionaler und lokaler und das ist gut so.

Die wirklich großen kulinarischen Innovationen wie die Nouvelle Cuisine oder die Molekularküche geschehen selten. Umso wichtiger ist es, dass sich die Grundprinzipien der Qualitätsgastronomie, wie die Verwendung ökologischer und regionaler Produkte, die alltägliche Kreativität und hohes handwerkliches Können auch im kleinsten Restaurant durchsetzen und dort für hohen Anspruch sorgen.  "Kurze Wege & langer Genuss" – so sollte das Wellness - Motto für die Gastronomie lauten!


* Manfred Müller ist Fachbereichsleiter für Essen & Trinken beim Deutschen Wellness Verband und als freiberuflicher Bildungsanbieter und Berater der Wellness-Gastronomie sowie für Kureinrichtungen tätig.Der gelernte Küchenmeister, Betriebswirt und Ernährungsberater hat jahrzehntelange Erfahrung in international renommierten Hotel-und Gastronomiebetrieben als Koch, Küchenchef sowie im Mana-gement von Event- & Betriebscatering.

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